Er lebt mit den Bären

Der Berner David Bittner verbringt fast jedes Jahr zwei Monate bei den Bären in Alaska. Seine faszinierenden Bilder und wilden Geschichten stellt er jetzt in einer Ausstellung im Naturhistorischen Museum und in einem Sachbuch vor.

Von Bettina Jakob 25. November 2009

«uniaktuell»: David Bittner, zahme 75 Kilo gegen 750 wilde Kilo – so sehen Ihre Treffen mit dem Bär in Alaska aus. Das klingt gefährlich.
David Bittner: Es ist klar – Bären sind wilde Tiere, die man respektieren muss. Sie können sehr gefährlich sein, wie der aktuelle, traurige Unfall im Berner Bärenpark zeigt. Erst der richtige Umgang lässt eine Begegnung zu.

Was heisst das konkret – wie schützen Sie sich auf Ihren Expeditionen?
Mit Vorsicht und Geduld. Die Nähe, die ich zu den Bären pflege, ist das Resultat eines langen Aufbauprozesses. Der Bär ist scheu, und er darf mich nicht als Feind wahrnehmen. Das heisst in der Praxis: Ich mache mich klein, knie oder liege, wenn ich einen Bären beobachte. Und nach Tagen, Wochen kommt es schliesslich soweit, dass sich das eine oder andere Tier immer mehr annähert.


Einige Bären kommen dem Abenteurer oft näher als ihm selber lieb ist. (Bilder: David Bittner)

Wie nah kommen die Grizzlies denn heran?
Würde ich meinen Arm ausstrecken, könnte ich sie berühren. Doch die Berührung lasse ich sein, denn sie ist eine symbolische Grenze. Grizzlies sind wilde Tiere und keine Teddybären.

Alles in allem doch ein Risiko – fasziniert Sie der Bär oder das Abenteuer?
Es geht nicht um den Adrenalin-Kick, sondern um das Natur-Erleben. Der Bär ist ein Symbol für Wildnis und intakte Natur. Aber klar ist es ein wahnsinniges Gefühl, wenn sich ein so grosses wildes Tier neben dir hinlegt oder dich neugierig betrachtet. Ich fühle mich dann als Teil eines grossen Ganzen.


Süd-Alaska ist eines der letzten wilden Naturparadiese der Erde.

Sie haben den Bären sogar Namen gegeben. Ist das nicht eine Vermenschlichung?
Es ist wohl ähnlich wie bei einem Bauer und seinen Kühen. Die einzelnen Tiere unterscheiden sich so sehr. Kennt man sie länger, erkennt man ihre Individualität und dann liegt es nahe, Tieren einen Namen zu geben.

Wie unterscheiden sich denn Rosie, Balu, Tschäppi & Co.?
In vielem. Äusserlich in der Fellfarbe, der Grösse und in Besonderheiten wie Stummelohren. Aber auch ihr Verhalten ist einmalig: Der eine mag Fisch lieber mit, der andere ohne Haut. Auch die Bewegungen sind verschieden, das soziale Verhalten unter Artgenossen – der eine ist geselliger als der andere.


David Bittner gelingen einzigartige Aufnahmen der grossen Kodiak-Bären.

Wie halten Sie Ihre Beobachtungen fest? Kann man diese mit einer verhaltensökologischen Feldstudie vergleichen – Sie sind ja Biologe.
Ich bin – anders als man denken kann – oft ohne Kamera unterwegs und schreibe die Beobachtungen in einem Tagebuch nieder. Allerdings sind das keine Daten, die man wissenschaftlich auswerten kann. Doch auch bei anderen Tierbeobachtern und -beobachterinnen wie Dian Fossey oder Jane Goodall entwickelte sich aus den Begegnungen mit den Tieren erst später auch die wissenschaftliche Forschung. Erst gingen die beiden einfach raus, sassen hin und beobachteten.


Sicherheit über alles: Ein Elektrozaun schützt das Camp des Bärenforschers.

So folgt auch bei Ihnen die Forschung erst später?
Das wäre mein Traum: Nach meiner Dissertation an der Uni Bern mit der Unterstützung einer Universität ein Bärenprojekt in Alaska aufbauen. Ideen und Ansätze dazu habe ich genug. Bisher sind die Bären-Expeditionen aber lediglich ein Hobby, das ich aus der eigenen Tasche finanziere.

Was muss jeweils mit nach Alaska?
Das sind schon ein paar hundert Kilo Gepäck: Zelt, Schlafsack, Isoliermatte, Elektrozaun, Benzinkocher, Kajak, wasserdichter Anzug, Grundnahrungsmittel, Angelrute, eine vollständige Kameraausrüstung und ein Satellitentelefon – um nur das Wichtigste aufzuzählen.


Im 3°C kalten Wasser zieht der Berner Abenteurer das schwer beladene Kajak in einen höher gelegenen Gletschersee.

Und was nehmen Sie mit heim?
An Material natürlich alles – in Alaska hinterlasse ich nur meinen Fussabdruck. Was zusätzlich mitkommt, sind natürlich die Fotos und Filmaufnahmen. Und die persönliche Erinnerung an die Begegnungen mit den Bären.

Begegnungen, welche Sie nun in ihrem Buch «Der Bär – Zwischen Wildnis und Kulturlandschaft» mit allen teilen.
Das Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Es ist ein Sachbuch mit vielen Fakten, ein Bilderbuch mit vielen Fotos und meinen Bären-Begegnugnen in Romanform. Reinhard Schnidrig, Chef der Sektion Jagd des BAFU, zeigt Möglichkeiten für ein Zusammenleben von Mensch und Bär auf. Sachliche Informationen zur Biologie und Ökologie von Ursula Amstutz und Chlaus Lötscher runden den Textteil ab. Alles in allem: Ein bisschen Bär für jedermann.

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