Der heisse Sommer und die geschlagene Buche
Den Wald anders sehen als auf dem Sonntagsspaziergang: Auf den Rundgängen «Wald 2050» werden die Zeichen sichtbar gemacht, die der Klimawandel in unseren Wäldern hinterlässt. Die Führungen finden an acht Standorten im ganzen Kanton statt.
Im Wald ist es lauschig und ruhig. Während die Vögel munter ihr Lied pfeifen, spielt sich unter den Bäumen ein lautloser Kampf ab. Mit nachhaltigen Folgen: Da sich das Klima verändert, die Sommer heisser, die Winter feuchter werden, wird es für die Buche im Berner Wald immer enger – andere Baumarten wie Eichen und Kastanien sind besser an die Trockenheit angepasst und verdrängen sie in höhere Lagen. Dort macht die Buche ihrerseits der Fichte den Platz streitig. «Wir können feststellen, dass einige der klimabedingten Veränderungsprozesse im Wald bereits heute zu beobachten sind», sagte Uni-Rektor Urs Würgler anlässlich der Medienkonferenz zum Projekt «Wald 2050»: Im Rahmen des 175-Jahr-Jubiläums führt die Uni Bern zusammen mit dem Amt für Wald des Kantons Bern und der Burgergemeinde Waldrundgänge an acht verschiedenen Standorten im Kanton durch.

Heissere, trockenere Sommer
Das Vorzeige-Beispiel ist wohl der Kirschlorbeer – einst nur Exot in den Gärten, hat er es sich nun auch im Berner Wald gemütlich gemacht: «Die Pflanze stammt aus dem Kaukasus und aus Nordiran, fühlt sich aber im Buchenwald beim Thunersee bereits heimisch und verbreitet sich», wie Biologe Beat Fischer sagt. Nach und nach wird sich die Vegetation umstrukturieren und neu zusammensetzen – leicht vorstellbar, glaubt man folgenden Hochrechnungen der Wissenschaftler für das Schweizer Klima im Jahr 2050: Die Sommer sollen bis 5 Grad wärmer werden und es sollen 30 Prozent weniger Regen fallen, dafür im Winter reichlicher.
Die Zukunft beginnt heute
Im Wald des Mittellandes sind die Folgen der Klimaveränderungen jedoch noch weniger sichtbar als etwa im Wallis und im Tessin. Dennoch: «Wir müssen bereits heute versuchen, den Wald auf klimatische Veränderungen vorzubereiten», stellte der Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Bern, Andreas Rickenbacher, an der Medienkonferenz klar. Denn: «Wir haben uns verpflichtet, den Wald so zu bewirtschaften, dass er seine vielfältigen Funktionen auch für die kommenden Generationen erbringen kann.»
Vom Wissenschaftler zum Förster
Der Erfolg hängt für Rickenbacher von einem «engen Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft» ab. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Beobachtungen der Forstleute müssten in die praktische Waldbewirtschaftung einfliessen. Und mit solchen Massnahmen versucht man die Widerstandskraft des Berner Waldes zu stärken, wie Franz Weibel, Oberförster der Burgergemeinde ausführt: Die Vielfalt der Bestände erhöhen, damit sich das Risiko des Verschwindens einer Art verteilt. Den Wald natürlich verjüngen und die an den Standort angepassten Pflanzen fördern. Ebenso sollten die Wälder reich an Strukturen und gut altersdurchmischt sein. «Dann sind sie am stabilsten», so Weibel. Und können am ehesten Extremereignissen wie Stürmen oder Hitzesommern trotzen.
Uni will den Leuten die Augen öffnen
«Wir wollen die wissenschaftliche Herausforderung annehmen», sagte Urs Würgler. Die Uni Bern ist weltweit führend in der Klimaforschung und beherbergt den Nationalen Forschungssschwerpunkt Klima. Naheliegend, dass sie sich die Uni auch in ihrem Jubiläumsjahr dem brennenden Thema widmet und an die Öffentlichkeit tritt: Mit den Rundgängen zum «Wald 2050» will sie den Leuten die «Augen für mögliche Entwicklungen in unseren Wäldern öffnen», wie es Würgler formuliert. Damit die Teilnehmenden der Führungen auf ihren künftigen Waldspaziergängen zwar weiterhin die Vögel zwitschern hören. Aber auch bemerken, dass nun eine junge Eiche wächst, wo einst eine Buche stand.