Der Mars wird ausspioniert

Die HiRISE-Kamera an Bord eines Mars-Erkundungssatelliten schiesst schärfere Bilder unseres Nachbarplaneten als jemals zuvor. Im September ist der Berner Weltraumforscher Nicolas Thomas für zwei Wochen dafür verantwortlich, welche Ziele die Kamera fotografieren soll.

Von Matthias Abplanalp 02. September 2009

In seinem Büro flimmern Koordinaten auf einem riesigen Bildschirm. Nicolas Thomas sucht die Marsoberfläche nach Zielen für die Erforschung ab. Der Physiker der Universität Bern ist im Schuss: 150 Vorschläge fotogener Sujets muss er innerhalb von vier Tagen nach Tucson übermitteln. An der University of Arizona in Tucson ist das Hauptquartier des «High Resolution Imaging Science Experiment» (HiRISE) angesiedelt – einem Forschungsprojekt, mit dem die Marsoberfläche kartografiert wird. In Zyklen von zwei Wochen wechseln sich die beteiligten Forschungsteams bei der Auswahl der Fotoziele ab. Bern ist als einzige Uni Europas mit dabei. «Etwa einmal pro Jahr ist die Reihe an uns», erklärt Thomas. Vom 13. bis 26. September ist es wieder soweit.

Foto von der Marsoberfläche mit käseartigen Löchern
Diese Erscheinung ist am Südpol des Planeten Mars anzutreffen und wird «swiss cheese» genannt: Die «Löcher» entstehen durch den unmittelbaren Übergang von CO2 und Wassereis vom festen in den gasförmigen Zustand. Bilder: HiRISE/Zvg

Die schärfsten Bilder vom Mars

Die HiRISE-Kamera, die an Bord der NASA-Raumsonde «Mars Reconnaissance Orbiter» (MRO) seit März 2006 um den Roten Planeten kreist, ist ein technisches Wunderkind. Das Teleskop mit 12 Metern Brennweite schiesst aus 250 Kilometern Entfernung farbige Fotos mit einer Auflösung von 25 Zentimetern pro Bildpunkt – «und löst damit Felsen mit einem Durchmesser von weniger als 50 Zentimetern auf», verdeutlicht Thomas. Eine einzige Aufnahme ist 1,6 Gigapixel gross. Deshalb ist die Bildauswahl, die der Forscher vornimmt, so wichtig: Wegen der riesigen Datenmenge pro Bild können nur etwa 120 Aufnahmen pro Woche zur Erde übermittelt und folglich nur ausgewählte Teile der Marsoberfläche mit der maximalen Auflösung erfasst werden. Thomas nennt HiRISE eine «spy camera» – einen Spion.

Rinne auf der Marsoberfläche
Eine Rinne auf der Marsoberfläche: «Es ist möglich, dass Wasser bei deren Bildung eine Rolle gespielt hat», sagt der Weltraumforscher Nicolas Thomas.

Wasser – und doch keines

Bereits seit einiger Zeit wissen die Forschenden, dass es auf dem Mars Wasser gibt. Die Atmosphäre des Planeten enthält Wasserdampf und unter der Oberfläche verbirgt sich wahrscheinlich Permafrost. «Vieles deutet darauf hin, dass auf dem Mars einst auch Wasser geflossen ist», so Thomas. Der Nachweis dafür konnte allerdings bisher nicht erbracht werden. Das wissenschaftliche Ziel der MRO-Mission ist es, die Oberflächenstrukturen des Planeten zu untersuchen und herauszufinden, wann es in der Vergangenheit wieviel Wasser gab, wie es dorthin gekommen und wo es geblieben ist. Die Forschenden möchten so besser verstehen, wie lebensfreundlich unser Nachbarplanet heute ist und früher einmal war. Mit diesem Ziel vor Augen suchen Physiker wie Nicolas Thomas die Marsoberfläche nach Stellen ab, die sich für eine hochaufgelöste Fotografie eignen – und definieren damit auch potenzielle Landeplätze für zukünftige Mars-Missionen.

Der Planungsprozess im Netz

Etwa eine Woche hat der Physiker Nicolas Thomas Zeit, um die Ziele auszuwählen, welche die HiRISE-Kamera vom 13. bis 26. September aufnehmen wird. Über das Netzwerk Twitter berichtet er über den Prozess der Bildauswahl.