Die Freuden und Leiden der Uni Bern
Ein erfolgreiches, schillerndes Jubiläum, wachsende Studierendenzahlen, mehr Forschungsplätze – aber auch ein paar Probleme wie die Tücken der Bologna-Reform und Unstimmigkeiten bei der Teilrevision des Unigesetzes: Die Reden am Dies academicus zeigten, wie reich das 175. akademische Jahr für die Uni Bern war.
Die Regale sind voller Bücher, Urs Würgler wandelt an ihnen entlang, bis er den gesuchten, dicken Schmöker findet, öffnet – und in die Bilder eintaucht: Das ist der Beginn des neunminütigen Films über die Events und Aktivitäten des Jubiläumsjahrs, der am Dies academicus gezeigt wurde. «175 Jahre alt zu werden, ist hinreichend Grund, mit berechtigtem Stolz auf das Erreichte zurückzuschauen», sagte der Uni-Rektor an der Stiftungsfeier im Kultur-Casino. Die Anliegen, auch die Jüngsten anzusprechen und mit dem verbreiteten Vorurteil über die Uni als Elfenbeinturm aufzuräumen, seien gelungen: Mit den Veranstaltungen im ganzen Kanton habe man versucht darzustellen, «welche Bedeutung die Universität für die Region und den Kanton erlangt hat», so Würgler.
Uni-Rektor Urs Würgler freut sich über das gelungene Jubiläumsjahr. (Bilder: Manu Friederich)
Doch in diesem Jahr wurde nicht nur gefeiert, «sondern auch sehr viel und sehr gut gearbeitet», sagte Würgler. Die Zahl der Neuimmatrikulierten ist um 5 Prozent gestiegen, der wissenschaftliche Nachwuchs wurde gefördert, zu den bisher vier «Graduate Schools» kamen sechs neue dazu. Die Uni Bern hat den Wissens- und Technologietransfer verstärkt und konnte im 2009 rund 400 Projekte mit Wirtschaftspartnern initiieren. An der Murtenstrasse entsteht ein klinisches Forschungszentrum, auf dem von Roll-Areal neue Institutsgebäude, die beide dringend nötige Forschungs- und Lehrplätze schaffen.
Uneinigkeit beim Uni-Gesetz
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Urs Würgler sprach die Schwierigkeiten an, mit der sich die Uni herumschlägt, etwa die Teilrevision des Uni-Gesetzes. Neben all den guten Ansätzen zu mehr Autonomie der Uni enthalte sie auch Negatives: Die Unileitung wehrt sich gegen die Entmachtung des Senats. Rektor und Unileitungsmitglieder sollen nach wie vor erst durch den Senat vorgeschlagen und dann durch den Regierungsrat gewählt werden. Die Uni brauche politische Steuerung, aber das Amt des Rektors dürfe nicht zu einem politischen Amt umfunktioniert werden. Sonst gerate die Uni «in den Strudel politischer Strömungen», so Würgler.
Der Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver sieht dies ganz anders: Die Besetzung der Unileitung sei ein Personalgeschäft mit politisch-strategischer Bedeutung. Pulver erachtet dies als «Kompetenzfeld» der Regierung, deshalb wolle man auf das Verfahren Einfluss nehmen. Die innere Organisation und Entscheide über Forschungsschwerpunkte unterlägen aber ganz klar der Universität.
Erziehungsdirektor Bernhard Pulver will die Unileitung im Regierungsrat wählen.
Die Hürden der Bologna-Reform
Auch die Tücken der Bologna-Reform waren heisses Thema an der Stiftungsfeier. Urs Würgler akzeptiert die Proteste und die Aulabesetzung im November als Ausdruck «einer gewissen Malaise» bei den Studierenden. Gewisse Bologna-Probleme will Würgler aktiv angehen – etwa die Präsenzkontrollen in den Vorlesungen. Bei den strukturellen Auflagen, denen die europäische Bildungsreform unterlegen war, sei aber eine gewisse Verschulungstendenz «systemimmanent», so Würgler: «Doch wir können und wollen das Reformrad nicht zurückdrehen.» Allerdings sollten die Unis eigenständig «unerwünschte Effekte der Reform systematisch beseitigen».
Auch Regierungsrat Bernhard Pulver nahm zur Problematik Stellung: Die Uni müsse ein Ort des freien Denkens sein, fähig zum «Spagat zwischen praxisrelevanter Arbeit und dem Denken für die Zukunft». Das müsse sich auch in der Gestaltung der Lehre widerspiegeln, so Pulver, und entspreche sicher nicht einer Jagd nach ECTS-Punkten. Die Politik habe sich bisher in Sachen «Verkürzung der Studiengänge» gedrückt. Seine eigene Haltung stelle einen «politischen Paradigmenwechsel» dar, so Pulver. Er wolle dem Thema besondere Beachtung schenken, versprach der Erziehungsdirektor.
Franz-Dominik Imhof von der SUB wehrt sich gegen die anhaltende soziale Selektion bei Uni-Ausbildung.
Die Anliegen von SUB und Mittelbau
Auch die StudentInnenschaft zeigte ihren Unmut gegenüber gewissen Entwicklungen. SUB-Präsident Franz-Dominik Imhof appellierte an die grundlegende Aufgabe, die eine Universität erfüllen sollte: die Verbesserung der Gesellschaft – wie der Regierungsrat Charles Neuhaus vor 175 Jahren an der Gründungsfeier der Uni Bern festhielt. Bildung an einer Universität dürfe kein Privileg der Reichen sein, so Imhof, diese nach wie vor geltende «soziale Selektion» müsse angegangen werden. Zudem dürften Lehre und Forschung nicht von Politik und Wirtschaftsverbänden instrumentalisiert werden. Die Uni habe in der Berufsausbildung für den privaten Markt nichts zu suchen, dafür stünden die Fachhochschulen bereit. Franz Imhof gab weiter zu Bedenken, dass die Uni durch die Abschaffung der automatischen Mitgliedschaft der SUB, wie sie der Grosse Rat beschlossen hat, Qualität und Charakter verliere.
Guido Stirnimann von der Mittelbauvereinigung wünscht sich einen stärkeren Schweizer Nachwuchs an den Universitäten.
Und die Probleme des Mittelbaus: Guido Stirnimann von der Mittelbauvereinigung der Uni Bern sprach in seiner Rede die «Schwindsucht des schweizerischen akademischen Nachwuchses» an: Um die Stellen an den hiesigen Unis würden sich viel mehr ausländische Kandidatinnen und Kandidaten bewerben als Personen, die an Schweizer Unis studiert hätten. Man versuche mit gezielten Veranstaltungen und Unterstützungsangeboten – etwa mit dem Event «Diss, was nun?» – in diese Entwicklung einzugreifen. Zusätzlich zur Vernetzung der Mittelbauangehörigen mit anderen Unis führt die Vereinigung zweimal jährlich Ausschreibungen für Grants durch. Diese sollen «gezielt das Forschungsprofil von jungen Mittelbauangehörigen stärken», so Stirnimann.