Erfolgreich und doch pleite

Europäische Fussballclubs sind chronisch unprofitabel, auch die erfolgreichen. Das liegt daran, dass sie ihre Umsätze in einem gegenseitigen Wettrüsten in die Höhe schrauben. Der Wirtschaftswissenschaftler Helmut Dietl zeigt auf, dass im Spitzensport eigene wirtschaftliche Gesetze herrschen.

Von Matthias Abplanalp 13. Oktober 2009

Der englische Fussballverein Manchester United gehört zu den grössten Sportclubs der Welt. Und zu den erfolgreichsten: In der Saison 2007/08 gewann die Mannschaft die nationale Meisterschaft und die Champions League. Trotzdem resultierte aus dieser Spielzeit ein Verlust von 45 Mio. Pfund, wodurch der Club seinen Schuldenberg auf 700 Mio. Pfund (über eine Mrd. Franken) anhäufte. Sportlicher Erfolg wird begleitet von einem wirtschaftlichen Desaster. Wie kann das sein?

Fussballzuschauer
Auch in der Schweiz gehen immer wieder Fussballclubs pleite: 2005 hatten die Fans von Servette Genf ausgejubelt – die Aktiengesellschaft ging Konkurs. Bild: zvg

Prof. Helmut Dietl von der Universität Zürich kennt die Antwort. Er vergleicht den Spitzensport mit einem Rattenrennen: In der einen Ecke des Raumes brennen viele hungrige Ratten darauf, dass das Rennen endlich losgeht. In der anderen Ecke wartet ihre Belohnung: ein Stück Käse. Alle haben sie viel Zeit und Mühe investiert, um so gut wie möglich auf den Wettlauf vorbereitet zu sein. Doch am Ende kann nur eine Ratte den Käse bekommen, alle anderen gehen leer aus. Ihre Mühe war umsonst. Das Problem besteht darin, dass alle immer wie mehr investieren, um an den grossen Futtertrog zu kommen. So kann am Ende nicht einmal die schnellste Ratte ihren Aufwand durch den Gewinn des Preises ausgleichen. «Die Ratten laufen zu schnell und der Käse ist zu klein», vergleicht der Wirtschaftswissenschaftler und spricht von einem Überinvestitionsproblem. «In vielen Sportarten können wir beobachten, dass Vereine pleite gehen, obwohl sich die Umsätze vervielfachen».

Sei stark, aber nicht zu stark

Im modernen Profisport führt ein Boom also nicht automatisch dazu, dass es allen beteiligten Unternehmen besser geht. Aber auch sonst gelten im Spitzensport eigene wirtschaftliche Gesetze. Zum Beispiel kann ein einzelner Sportclub kein marktfähiges Produkt herstellen. «Wir wollen keinem Sportler lediglich beim Training zuschauen», verdeutlicht Dietl: «Sportler brauchen Gegner. Sogar mehrere Gegner, denn erst eine Meisterschaft ist ein Produkt, das von Zuschauern konsumiert wird.» Zudem muss diese Meisterschaft möglichst ausgeglichen sein. Keiner wolle ein Spiel sehen, bei dem der Sieger schon zum Voraus feststehe, erläutert der Experte und zieht das Fazit: «Während Toyota davon profitiert, wenn Ford und VW schwach sind, brauchen Sportclubs starke Gegner.» Die New York Yankees, eines der erfolgreichsten US-Baseballteams, hielt sich deshalb lange Zeit an den Leitspruch «Lord make us strong, but not too strong».

Fussballer
Teure Fussballer: Viele Spieler verdienen sich durch das Wettrüsten der Clubs goldene Füsse. Bild: istock

Ligen müssen ausgeglichen sein

Aus Amerika kommen auch einige fruchtbare Ansätze, um das Wettrüsten der «Ratten» zu dämpfen. So kennen viele US-Sportligen einen so genannten «salary cap» – eine Höchstgrenze an Gehältern, die ein Verein für all seine Spieler ausgeben darf. Auch die Einnahmen werden umverteilt: Sämtliche Einkünfte aus Ticketverkäufen werden in einem Topf zusammengelegt und nach einem bestimmten Schlüssel an alle Clubs verteilt. Schliesslich seien alle Teams am Produkt beteiligt, so Dietl. Mit diesen Massnahmen erreichen die nordamerikanischen Profiligen, dass die Umsatzschere zwischen den Teams viel geringer ist als in Europa – und sie damit ein besseres Produkt, nämlich eine ausgeglichene Liga, verkaufen können.

Was passieren kann, wenn diese Ausgeglichenheit verloren geht, zeigt ein Beispiel aus dem Golfsport: Der Amerikaner Tiger Woods dominierte seine Gegner jahrelang fast nach Belieben. Studien haben ergeben, dass die Leistung aller anderen Spieler schlechter wurde, wenn Woods an einem Turnier dabei war. Sie sahen in Anwesenheit des grossen Dominators für sich selber keine Chance, den Käse zu ergattern.

Berner Gespräche zur Sportwissenschaft

Prof. Helmut Dietl vom Institut für Strategie und Unternehmensökonomik an der Universität Zürich hielt seinen Vortrag über die Ökonomie des Spitzensports im Rahmen der «Berner Gespräche zur Sportwissenschaft». Das interdisziplinäre Kolloquium wird vom Institut für Sportwissenschaft organisiert und beschäftigt sich mit sozialwissenschaftlichen Fragen von Bewegung und Sport. Die Vorträge sind öffentlich und kostenlos.