«Die Uni fliesst in alle Winkel des Lebens»

Schriftsteller, Politikerinnen, Musizierende und ein Münster voll geladener Gäste: Das war der offizielle Festakt zum 175-Jahr-Jubiläum der Uni Bern. Zu hören war Lob, aber auch Kritisches, viel Politisches und auch süffig Ironisches. Und der Autor und Ehrendoktor der Uni Bern, John le Carré, erinnerte sich feinsinnig sich an seine Berner Studienzeit.

Von Bettina Jakob 06. Juni 2009

Ein Spion kehrt zu seiner Wiege zurück: Zum Höhepunkt des 175-Jahr-Jubiläums erwies der weltberühmte Schriftsteller John le Carré der Uni Bern die Ehre. Am offiziellen Festakt im Berner Münster beschrieb er auf sehr persönliche, feinsinnige Art und Weise seine Beziehung zur Alma mater bernensis. Hier, in einer «winzigen Dachwohnung an der Längassstrasse» erfuhr der Autor, der mit dem Roman «Der Spion, der aus der Kälte kam» 1963 schlagartig die Beststeller-Liste erklommen hatte, den Keim seines Schriftstellerlebens. Mit 17 Jahren landete der junge Brite nach dem Zweiten Weltkrieg in der Aarestadt – warum, das sei ihm bis heute ein Geheimnis geblieben: «Hatte ich in irgendeiner trostlosen englischen Schulbibliothek über die Stadt gelesen? Oder hatte ich ihre Schönheit mit einem flüchtigen Blick aus dem Zugfenster erkannt?»
 

Schriftsteller John le Carré erinnerte sich am Festakt an seine Berner Zeit. (Bilder: Manu Friederich)

Der Ehrendoktor und seine Uni

John le Carré, damals noch David Cornwell, kam nach Bern, um Deutsch zu studieren – lernte aber sehr viel mehr als die Sprache: «Die Universität gab mir Selbstachtung und liess meiner Kreativität freien Lauf.»  Sie gab ihm Raum zu atmen, denn in England war es Cornwell zu eng geworden. Die Uni Bern habe ihm, «wie es die besten Universitäten auf der ganzen Welt tagtäglich tun, manchmal für die unwahrscheinlichsten Studenten», einen Platz gegeben, wo er seine Kindheit hinter sich lassen und seinen Optimismus entdecken konnte. John le Carré  besuchte dann Deutschland und studierte schliesslich in England weiter, überwand den Graben, den der Zweite Weltkrieg zwischen diesen beiden Ländern aufgerissen hatte. Die Uni Bern hatte ihm im vergangenen Jahr die Würde eines Ehrendoktors verliehen.

«Wissen schafft Wert»

Die Uni Bern hat in den 175 Jahren ihres Bestehens neben John le Carré einige Berühmtheiten hervorgebracht. Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi erwähnte in ihrer Grussbotschaft etwa Anna Tumarkin, die erste Professorin Europas, die Habilitanden prüfen durfte, oder den kürzlich verstorbenen Maurice E. Müller, Pionier der Medizinaltechnik. Nobelpreisträger Theodor Kocher war hier als Medizinprofessor angestellt und Physiker Albert Einstein dozierte an der Uni und wohnte in der schönen Berner Altstadt. Doch nicht nur herausragende Persönlichkeiten entspringen der Uni Bern, wie der Rektor Urs Würgler bemerkte, sie «fliesst in alle Ecken und Winkel des Lebens». Nämlich: «Sie gibt ihr Wissen die Studierenden weiter, die es in ihr Arbeitsleben und ihre Aktivitäten mitnehmen. Über die Forschung und Dienstleistung trägt sie es auch in die Gesellschaft.» Deshalb trage das Jubiläumsjahr das Motto «Wissen schafft Wert».

Rektor Urs Würgler betonte die Wichtigkeit der Autonomie seiner Uni.

Die vieldiskutierte Autonomie

Gleichzeitig vermittelte Würgler aber die klare Botschaft, dass die Uni nicht «auf eine Dienstleistungsfunktion reduziert werden darf». Vielmehr soll «sie Neues denken, Zukunftsperspektiven aufzeigen» und zwar in der «freien und kreativen Grundlagenforschung und in der Ausbildung wissenschaftlich gebildeter Menschen». Der Rektor sprach damit die vieldiskutierte Autonomie der Alma mater an. Zurzeit ist die Teilrevision des kantonalen Unigesetzes in der Vernehmlassung; sie soll der Uni in gewissen Bereichen mehr Gestaltungsfreiräume geben. Würgler wandte sich an die Kantonsregierung und betonte, dass strategische nicht mit politischer Führung verwechselt werden dürfe. Denn: «Politische Gremien können häufig der Versuchung erliegen, die Universitäten als Instrumente ihrer oft nur auf kurze Frist angelegten Sozial- und Wirtschaftspolitik einzusetzen.» Auch der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät hofft, dass die Werte, die durch Wissen geschaffen werden, in «akademischer Freiheit» zustande kommen, und nicht weil sie sich an der Börse orientieren.


Fast voll besetzt: Die Gäste erwiesen der Uni im feierlichen Berner Münster die Ehre.

Kanton will der Uni «den Rücken stärken»

Der Berner Regierungspräsident Hans-Jürg Käser pflichtete bei, dass die Gesellschaft «einen Ort des freien Denkens» braucht, wo über Grundsatzfragen nachgedacht wird. Erst solches Denken ermögliche «die Innovationen von morgen». Mit dem revidierten Uni-Gesetz will der Regierungsrat der Uni «den Rücken stärken», strategisch aber die Zügel in der Hand behalten. Um eine hohe Qualität der Bildung und ein innovationsfreundliches Umfeld zu schaffen, müssten Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in «optimaler Weise zusammenarbeiten», so Käser.

SUB will eine Uni für alle

Auf eine solch optimale Balance hofft auch die StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB): Sie fordert eine Uni für alle, an der mit mehr Flexibilität studiert werden kann. Ein faires Stipendienwesen soll gewährleisten, dass «nicht nur junge Leute mit problemloser finanzieller Lage studieren können», sagte Nadine Frei von der SUB. Auch in ihrer Rede tauchte das Bedürfnis nach Freiraum auf: «Die Unabhängigkeit der Uni auf allen Ebenen ist uns sehr wichtig.» Schliesslich hat sich John le Carré auch mit folgenden Worten an seine Studienzeit erinnert: «Durch die Uni habe ich meine Freiheit gefunden.»

 

 

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