Frauen fliegen auf die herzigeren Babys

Frauen können genau sagen, welches Baby niedlich ist und welches nicht. Ein Unterschied, den Männer nicht wahrnehmen, wie Psychologen der Uni Bern feststellen. Grund für das weibliche Urteil ist nicht etwa Ästhetik, sondern Fürsorge.

Von Bettina Jakob 05. Januar 2009

Computer einschalten und die Angst wegklicken: Online-Psychotherapie-Programme sollen es möglich machen, seine soziale Angststörung vom sicheren Wohnzimmer aus anzugehen. Der Berner Psychologe Thomas Berger ist sicher, dass solche Angebote Betroffenen «effektiv» helfen, das belegen internationale Studien – und auch seine eigene: Gemeinsam mit den Psychologen Franz Caspar und Eléonore Hohl, ebenfalls von der Uni Bern, hat Berger ein webbasiertes Programm für Sozialphobikerinnen und -phobiker entwickelt und getestet: Nach zehn Wochen wiesen die Nutzerinnen und Nutzer im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant weniger Angst- und Depressionssymptome auf. «Die Effekte sind mit der Wirksamkeit einer ‹Face-to-Face›-Therapie vergleichbar», so Berger, also der Behandlung, bei der sich Patient und Therapeutin in einer Praxis gegenüber sitzen. Das Berner Programm wurde weiterentwickelt und wird im Sommer evaluiert.

Babies
Schon kleine Unterschiede in den Babygesichtern werden von Frauen erkannt. Im Bild wird das linke Baby als herziger eingestuft. Bilder:zvg

Das Experiment mit digital veränderten Fotos

Vorab eine wichtige Definition: Wann ist ein Baby überhaupt herzig? «Wenn das Gesicht möglichst exakt dem Kindchen-Schema entspricht», erklärt Lobmaier die allgemein gültige Regel, die Verhaltensforscher Konrad Lorenz aufgestellt hat: grosser Kopf und grosse Stirn, grosse runde Augen, kleine Nase, kleines Kinn und runde Wangen. «Weicht das Gesicht von diesen Normen ab, wird es als weniger niedlich taxiert», so der Psychologe.

Interessant ist, dass Frauen bereits kleinste, kaum sichtbare Abweichungen bemerken, wie Lobmaier mit folgender Versuchsanordnung bewiesen hat: Aus 100 Baby-Porträts wurden mittels Umfrage die 10 schönsten und die 10 kaum ansprechenden Kinder ausgesucht. In einem digitalen Verfahren wurden die 10 hübschesten Fotos übereinander gelegt, so dass ein prototypisches Bild eines niedlichen Babys entstand; analog entstand ein Prototyp für ein nicht ansprechendes Neugeborenen-Gesicht. Aufgrund dieser Daten wurden nun Fotos von diversen Babys digital verändert: Der Forscher entwarf Gesichterpaare des gleichen Babys, die eine Variante mit minimen Anpassungen Richtung «herzig» und einer Richtung «weniger herzig». So konnten zum Beispiel der Augenabstand oder die Grösse der Augen im Millimeterbereich variieren.

Wird der Instinkt von Hormonen gesteuert?

«Die Frauen fanden jenes Gesicht herziger, welches dem niedlichen Prototyp angeglichen war, die Männer sahen keinen Unterschied», fasst Lobmaier die Resultate des Experiments zusammen. Allerdings wurde das herzigere Baby von beiden Geschlechtern als das jüngere der beiden Varianten bezeichnet. In dieser Tatsache vermutet der Berner Psychologe auch den Grund für die klare Bestimmung der herzigeren Babys durch die Frauen: «Jünger scheint gleichzeitig als herziger wahrgenommen zu werden, und jüngere Babys brauchen mehr Fürsorge.»

Janek Lobmaier vermutet, dass diese klare emotionale Einschätzung, dieser Mutterinstinkt, auf der Grundlage der Hormonsteuerung aufbaut – denn: «Frauen in der Menopause können – wie die Männer – das herzigere Baby nicht mehr definieren.» Die eindeutigsten Antworten erhielt der Psychologe von Frauen, die zur Verhütung hormonelle Präparate zu sich nehmen. «Was dafür spricht, dass dieser Prozess durch die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und/oder Progesteron geregelt wird. «Dies werden unsere nächsten Experimente hoffentlich zeigen», so Lobmaier.

Und die Väter?

Und so bleibt lediglich die Frage, warum denn Männer nicht diesen Instinkt der Fürsorge entwickeln. «Er würde sowohl Vater wie Baby nichts nützen», so Lobmaier: «Denn Neugeborene sind vor allem auf eines angewiesen, nämlich auf das Stillen durch ihre Mütter.»