Geschlechterforschung als Kartenspiel

Der Spaziergang «Schwule Pinguine, Anna Tumarkin und Hysterie. Ein Gender-Rundgang durch die Universität Bern» war einer der Renner am Fakultätstag. Organisiert hatte ihn das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung.

Von Nathalie Neuhaus 14. März 2009

Alles beginnt mit einem Kartenspiel: Die beiden Referentinnen Fabienne Amlinger und Monika Hofmann verteilen die ersten vier Quartettkarten eines ganzen Spiels, welches auf den sieben Stationen durch je vier weitere Karten, ergänzt wird. Vor dem Hauptgebäude tummeln sich viele Menschen – heute ist Fakultätstag an der Uni Bern. Rund zwanzig Personen haben sich versammelt, um am Gender-Spaziergang teilzunehmen. Ein Rundgang durch das Uni-Quartier Länggasse und damit durch die Geschlechterforschung beginnt.

Ein Quartett der besonderern Art: mit Informationen über die Geschlechterforschung. (Bilder: nan)

Die ersten Frauen an der Uni Bern

Ein paar Schritte weiter, am Tumarkinweg, welcher der russischen Philosophin Anna Tumarkin gewidmet ist, erfahren die Spaziergängerinnen und Spaziergänger etwas über die erste weibliche Professorin an der Uni Bern. Tumarkin hatte an der Uni Bern studiert, habilitiert und wurde 1909 zur ausserordentlichen Professorin ernannt. «Trotz des liberalen Zeitgeistes der Universität Bern der damaligen Zeit, wehte den Studentinnen bald ein kalter Wind entgegen», erläutert Amlinger, «und sie begegneten vielen Hindernissen auf ihrem Weg, denn die frauenfreundliche Haltung ging so schnell verloren wie sie gekommen war.» «Eigentlich schade, dass diese Frauen so lange in Vergessenheit geraten sind», findet Antoinette El-Agamy, eine Teilnehmerin.

Ein steter Wandel von «Geschlechterverhältnissen»

Das Geographische Institut, in welchem sich das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung befindet, ist der nächste Boxenstop. «Warum pinkeln nur Männer an Bäume» oder «Du arbeitest sicher im Inselspital, da du ja Geschlechterforschung betreibst?»: Mit solchen und anderen Fragen sehen sich Amlinger und Hofmann häufig konfrontiert. «Heute wird Geschlechterforschung aber an ganz vielen und unterschiedlichen Orten der Universität betrieben», betonen Hofmann und Amlinger.

Am Gender-Rundgang wurden einige Geschlechter-Stereotypen entlarvt.

Alle Frauen sind «hysterisch»

Im Eingang des Medizinhistorischen Instituts erfährt die zusammengedrängte Zuhörerschaft, was es mit der so genannten typischen Frauenkrankheit «Hysterie» auf sich hatte. Das griechische Wort «hystéra» wird mit «Gebärmutter» übersetzt und die Frau im 17. Und 18. Jahrhundert wurde als hilfloses Anhängsel ihres «männer- und kindergierigen Uterus» angesehen, wie die Rednerin Hofmann erläutert. Da alle Frauen dieses zweite «Wesen» in sich trügen, seien sie alle ein bisschen hysterisch. «Ein Mann sollte den Geburtshergang im Vorfeld kennen, damit er die Frau verstehen und ihr beistehen kann», kommentiert Antoinette El-Agamy.

Von homosexuellen Pinguinen

«Männer können gar nicht treu sein.» Eines der weit verbreiteten Vorurteile über sozialen Rollen, welche oft durch biologistische Argumente erklärt werden. Vor dem Zoologischen Institut erklären Amlinger und Hofmann, dass nicht alle Lebewesen ausschliesslich heterosexuell lebten. Viele kennen den herzigen Clownfisch «Nemo», doch was wir nicht über diese Fischgattung wissen: Der Clownfisch hat eine besondere biologische Geschlechtlichkeit, er ist nämlich ein klassischer Hermaphrodit: Alle Clownfische besitzen beide Geschlechtsanlagen, bei der Geburt sind jedoch nur die männlichen entwickelt. Ihre Gruppen sind stark hierarchisch geprägt, die Chefin ist weiblich und paart sich nur mit dem ranghöchsten Männchen. Stirbt sie, entwickelt sich rasch das ranghöchste Männchen zum Weibchen und paart sich mit jenem Männchen, das vorher in der Hierarchie auf Platz 2 stand.

Oder wir erfahren, dass bei den Seepferdchen die Weibchen die Männchen «begatten» und ihnen die Eier in die Bauchtasche spritzen. Es sind denn auch die Männchen, welche die Kleinen gebären. Die schwulen Pinguine bilden eine homosexuelle Minderheit, zeigen aber dasselbe Brut- und Aufzuchtsverhalten wie die heterosexuellen Pinguine. Der Diskurs über die Unterschiede zwischen dem sozialen und das biologischen Geschlecht entfacht bei den Teilnehmenden des Rundgangs eine Diskussion.

Fabienne Amlinger erzählt uns vor der Unitobler von der langen Tradition der Geschlechterforschung am Soziologischen Institut. «Bis heute gibt es zwar keinen Lehrstuhl für Geschlechterforschung», betont Amlinger. Aber auch andere Institute, beispielsweise die Politikwissenschaften oder das Theologische Institut befassen sich mit geschlechterspezifischen Themen und bieten Vorlesungen und Seminare an. Beim SUB-Häuschen endet der Gender-Rundgang mit den letzten vier Karten über «laufende Forschungsprojekte des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung».

 

 

 

 

Oben