Helden und Gefühle

Uralte Helden-Epen werden von Studentinnen und Studenten zum Leben erweckt. Helden der heutigen Zeit stimulieren die Sehnsüchte von uns Konsumenten. Zwei Themen, die am Fakultätstag die Besucher auf eine spannende Kopf- und Gefühlsreise mitnahmen.

Von Salomé Zimmermann 14. März 2009

«Das war eine sehr engagierte und lebhafte Leserin eben», findet eine Besucherin. Sie ist ehemalige Englisch-Lehrerin und wollte sich die Beowulf-Lesung der Anglistik-Studentinnen nicht entgehen lassen. Gespannt und aufmerksam lauschen Personen unterschiedlichen Alters den Abenteuern von Beowulf, der erfolgreich gegen ein menschenverschlingendes Ungeheuer und dessen rachsüchtige Mutter kämpft. «Der Sagenstoff behält seine Aktualität, das Heldenepos ist auch heute noch präsent und beliebt», meint die Englisch-Professorin Margaret Bridges und zeigt auf den im Hintergrund laufenden Film mit Angelina Jolie in der Hauptrolle. Studierende und Doktorierende des Instituts für Englische Sprachen und Literaturen wechseln sich am Lese-Marathon ab.

Acht Stunden nonstopp: der Lesemarathon der Anglistik-Studierenden. (Bild: sz)

«Ich war doch recht nervös», erzählt Alexandra Peyer, «ich wusste nicht, ob ich zu schnell oder zu langsam las und ob ich den Spannungsbogen halten konnte». Ihre Sorgen sind unbegründet, denn die Lesung kommt gut an: «Mir gefällt die Tonart und der Rhythmus des Textes», kommentiert eine  Besucherin. Eine andere meint: «Jetzt hat mich die Lust gepackt, das Epos zuhause noch selber zu lesen». Die Zuhörerinnen und Zuhörer beweisen Sitzleder, viele bleiben aufmerksam eine Stunde oder länger und lassen sich in die Abenteuerwelt entführen. Als die ehemalige Englisch-Lehrerin erfährt, dass zu einem späteren Zeitpunkt Ausschnitte der Heldensage in der originalen altenglischen Sprache zu hören sind, will sie wiederkommen.

Abenteuerliches Non-Stop-Epos

Im gegenüberliegenden Zimmer erfahren die Besucher, «wie Sîfrit erslagen wart». Germanistinnen und Germanisten lesen nonstop acht Stunden lang aus dem bekannten mittelhochdeutschen Nibelungenlied vor. Allerdings mehrheitlich aus einer Übersetzung des 19. Jahrhunderts, damit alle dem Aufstieg und Tod Siegfrieds und den «aventüren» rund ums Burgunderreich folgen können. Auch diese Lesung ist ein Ohrenschmaus. Sie wird untermalt durch Projektionen des Originaltextes an Wand und Decke.

Das Vorlesen und Kommentieren des deutschen Heldenepos schlägt einen Bogen zur ursprünglichen Tradierung. Denn: Die Nibelungensage wurde wohl während 700 Jahren durch Epensänger mündlich weitergegeben. Das Interesse ist auch bei den heutigen Zuhörern geweckt: «Viele Besucherinnen und Besucher fragen nach oder bitten um zusätzliche Erklärungen zu einzelnen Szenen», erzählt Jörg Klenk, Germanistik-Student.

Gefühle über alles

Abrupter Szenewechsel in die Werbe-Gegenwart: «Der deutsche Mann wendet mehr Zeit für die Wahl des Autos als für die Wahl der Lebenspartnerin auf», informiert Harley Krohmer die überraschten Zuhörer. Der Marketing-Professor führt in einem «Crashkurs» in die Welt der Werbung und des Marketings ein und erklärt in Kürze, was die «Studierenden sonst in einem Semester lernen». Seine Präsentation trägt den Titel «Auffallen, unterhalten, überzeugen. Die Wirkungsweise erfolgreicher Werbung» und legt den Akzent auf die Aktivierung, die Emotionen und die Kommunikation. «Ich interessiere mich für das Funktionieren der Werbung und nutze die Chance, mal über mein Fach hinauszublicken», erklärt die Jus-Studentin Gina Bettosini. Sie erfährt von der Bedeutung der Emotionen in der Werbung, denn laut Krohmer braucht es Gefühle, damit ein Produkt in der allgemeinen Informationsflut heraussticht. «Emotionen wirken immer, so sind wir programmiert», erklärt Krohmer und doppelt nach: «In der Werbung geht gar nix ohne Gefühle.» Die Emotionen helfen bei der Übermittlung vom sensorischen Gedächtnis ins Kurzzeitgedächtnis und von dort eventuell ins Langzeitgedächtnis. Werbung kann nur funktionieren, wenn sie überhaupt wahrgenommen wird und unser Hirn ist geübt darin, alles Unwichtige gar nicht erst ins Bewusstsein vordringen zu lassen. «Diese selektive Wahrnehmung ist überlebensnotwendig, muss jedoch von der Werbung überwunden werden», erläutert Harley Krohmer.

Suva-Werbung für Velohelme: Gelungenes Spiel mit der Angst. (Bild:zvg)

Der Röntgenblick

Er zeigt anhand eines eindrücklichen Videoausschnitts, wie ein Autist nicht über diese Selektionsfähigkeit verfügt, was ihn im Alltag behindert. Dafür kann er nach einem kurzen Ausflug in einem Helikopter jedes erblickte Gebäude bis in die Details nachzeichnen. Sein sensorisches Gedächtnis nimmt alles wahr und leitet es ungefiltert weiter ins Kurzzeitgedächtnis.
«Prinzipiell wirkt jedes Gefühl, die richtige Dosierung ist jedoch entscheidend», sagt Krohmer. Ein Beispiel: Die Suva-Velohelm-Werbung zeigt eine Frau mit einer Narbe auf der einen Seite ihres Kopfes. Kommentar: «Keinen Velohelm zu tragen, kann Ihre Frisur ruinieren». Nach Krohmer funktioniert diese Anzeige gut, denn sie rüttelt auf, führt aber nicht zu Panik. «Ist die Erregung durch Angstmacherei zu heftig, schaltet das Hirn aus Selbstschutz ab», erklärt er – und die Wirkung der Werbung verpufft. Der Marketing-Spezialist zeigt weitere gelungene und missratene Kampagnen, welche mit den Gefühlen «Humor», «Attraktivität», «Erotik» und «Furcht» spielen. Gefühlsmässig aufgerüttelt und angenehm aktiviert, strömen die Besucherinnen und Besucher nach den emotionalen Höhen- und Tiefflügen weiter.

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