Selbstbewusst auftreten und unbewusst lernen

Zu Kopftuchkonflikten und ihrem Glauben an Engel hat die Theologische Fakultät Schweizer Jugendliche befragt. Am Fakultätstag der Uni Bern präsentiert sie ihre neueste Studie «Gott, Allah, Krisha und die Kids». Auch das Institut für Psychologie weiss Neues: Unbewusstes Lernen funktioniert offenbar ganz ähnlich wie bewusstes.

Von Hannah Dotzauer 14. März 2009

Klein, aber oho: Die Theologische Fakultät ist die kleinste Fakultät der Uni Bern, trumpft aber am Fakultätstag mit einem höchst interdisziplinären Forschungsprojekt auf: 13- bis 15-jährige Jugendliche unterschiedlicher Religionsgemeinschaften wurden zu ihrer Religiosität und ihren Wertvorstellungen befragt. Ergebnisse dieser breit angelegten Studie, die am Fakultätstag erstmals einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert wurden, sind sowohl theologisch als auch religionswissenschaftlich, pädagogisch und psychologisch interessant.

Fakultätstag der Uni Bern: Austausch und anregende Gespräche mit den Theologen. (Bilder: do)

Erste Video-Ausschnitte der Gespräche mit Jugendlichen beeindrucken: Ausgangspunkt ist die Geschichte von «Fatima», die in der Zwickmühle steckt. Trägt sie ihr Kopftuch in der Schule, riskiert sie, zur Aussenseiterin zu werden; trägt sie es nicht, wird sie ihre Familie enttäuschen. Auf die Frage, wie sie Fatimas Problem lösen würden, antworten die Jugendlichen in den Videos auf ganz verschiedene, aber verständnisvolle Weise.

Man merkt, wie sich ihre eigenen Erfahrungen, Enttäuschungen und Erfolgserlebnisse unter ihre Ratschläge mischen: «Sie könnte das Kopftuch ja nur zuhause und zu Festen tragen, dann wird sie in ihrer Klasse nicht ausgegrenzt», meint ein muslimisches Mädchen. «Wenn sie das Kopftuch mit Selbstbewusstsein trägt und dazu steht, wird sie auch akzeptiert werden», ist eine Buddhistin überzeugt. Und ein 14-jähriger Junge meint: «Echten Kollegen ist es egal, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht.» Was diese Studie zeigen soll? «Die religiöse Landschaft der Schweiz verändert sich», so Prof. Christoph Morgenthaler von der Abteilung für Praktische Theologie. «Genau diese Veränderungen untersuchen wir.»

Unser Unterbewusstes weiss mehr als wir

Von den Theologen gehts weiter zur Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät. Dort hat das Psychologie-Institut Spannendes zu bieten: Gemäss dem Grundsatz «Psychologie ist mehr als Spekulieren über die Seele!» erleben die Besucher psychologische Forschung hautnah: In verschiedenen Labors können sie ihr Gedächtnis trainieren, erfahren, wie sie mit Stress umgehen, wie das menschliche Auge funktioniert, und wie man die Informationsverarbeitung des Gehirns sichtbar macht.

Besonders erstaunlich ist das Experiment «Unbewusstes Lernen». In einem kleinen dunklen Raum wird erforscht, ob das unbewusste Erwerben und Abrufen von Informationen nach den gleichen Mechanismen funktioniert wie das bewusste: Eine Besucherin betrachtet ein flimmerndes Raster auf einem Monitor und muss währenddessen eine einfache Ablenkungsübung lösen. Was sie nicht weiss: Immer wieder werden für Sekundenbruchteile Porträts auf dem Monitor eingeblendet, das geht jedoch so rasch, dass sie sie nicht bewusst wahrnimmt. Unter den Porträts steht je der Name einer nordamerikanischen oder europäischen Stadt. Nach Beenden der Übung haben sich ihr – so die Vermutung der Forscher – die Gesichter samt Stadt ins Unterbewusstsein eingeprägt. Wenn sie nun in einem zweiten Durchgang die Bilder anschaut, kann sie die Gesichter den beiden Kontinenten zuordnen, ohne die Verknüpfungen je bewusst gesehen zu haben.

Konzentration beim unbewussten Lernen im Psychologie-Labor.

Geheimnis weiblicher Intuition entschlüsselt?

«Welchen Sinn macht solche Forschung?», fragt eine Besucherin nach dem Experiment etwas irritiert. «Dieses Experiment zeigt, dass wir immer gleich lernen – bewusst und unbewusst », erklärt Oliver Markes vom Psychologischen Institut. Den Forschern geht es nicht in erster Linie um die praktische Umsetzung ihrer Erkenntnisse, doch die Phantasie der Schaulustigen, die sich eingefunden haben, kennt keine Grenzen: «Daraus könnte man doch super Lernstrategien entwickeln!», «Oder Leute zu Werbezwecken manipulieren!» – hagelt es Vorschläge. «Warum zeigen Sie eigentlich nur Männerporträts?», fragt eine ältere Dame. «Aus Gründen der Einheitlichkeit, damit nicht noch mehr Faktoren die Entscheidung beeinflussen können», antwortet Oliver Markes. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: «Eigentlich machen wir dieses Experiment nur mit Männern. Wie Frauen unbewusste Entscheidungen fällen, ist noch nicht erforscht.» Sieht aus, als ob die weibliche Intuition vorläufig also noch ein Geheimnis bliebe.

Hannah Dotzauer ist Studentin und Redaktorin des unikum, dem Magazin der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB).

Oben