Kleiner Käfer ausser Kontrolle

Sie haben keine Feinde und vermehren sich rasch: Eingeschleppte, invasive Tiere und Pflanzen verdrängen die einheimischen Arten und bringen das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Das Wissenschaftsfestival «basecamp09» kommt unter anderem unliebsamen Käfern, Krebsen und Sträuchern auf die Spur.

Von Bettina Jakob 04. September 2009

Nein, Glück bringt dieses «Himugüegeli» nicht: Der Asiatische Marienkäfer aus China und Japan breitet sich in Europa rasant aus. «Die Schweiz hat er innerhalb von fünf Jahren überrollt», wie Wolfgang Nentwig vom Institut für Ökologie und Evolution der Uni Bern sagt. Der Eindringling frisst zwar Blattläuse, aber auch reife Früchte wie Äpfel und Trauben. Wird der Käfer mit den Trauben gekeltert, entsteht ein grosses wirtschaftliches Problem: Um seine Feinde abzuwehren, produziert der Marienkäfer ein bestimmtes Alkaloid, das schliesslich den edlen Tropfen verdirbt.

Marienkäfer
Eindringling aus dem Osten: der Asiatische Marienkäfer. Bild: insektenwelt.ch

Doch noch gewichtiger als die wirtschaftlichen Ausfälle beim Weinbau sind die ökologischen Folgen, die dieser Käfer verursacht. «Er verdrängt die einheimischen Marienkäferarten», so Nentwig. Und genau dies ist die grösste Problematik der so genannten Neozoen: Diese nicht einheimischen Tiere verbreiten sich in den Gebieten, in denen sie natürlicherweise eigentlich nicht vorkommen, explosionsartig, da sie sehr anpassungsfähig sind und sie keine natürlichen Feinde haben, die ihre Populationsgrösse regulieren. «Solche invasiven Arten schädigen die einheimische Biodiversität», sagt Nentwig. Über die problematische Wanderschaft von Flora und Fauna rund um den Globus diskutiert der Ökologe mit Erwin Jörg vom kantonalen Naturschutzinspektorat und Flavio Turolla vom Amt für Umweltkoordination und Energie des Kantons Bern am «basecamp09», dem Wissenschaftsfestival auf dem Waisenhausplatz. (Programm siehe Links).

Die lange Liste der Eindringlinge

Der Asiatische Marienkäfer ist nicht das einzige schwarze Schaf in unseren Ökosystemen – die Liste der invasiven Tier- und Pflanzenarten ist lang: Die Rosskastanienminiermotte aus Mazedonien befällt die Rosskastanien und aufgrund ihrer starken Vermehrung fügt sie den Bäumen einen massiven Blattschaden zu. Der Signalkrebs aus Nordamerika lässt den europäischen Krebsen kaum mehr Raum: Er ist konkurrenzstark und überträgt die Krebspest, eine tödliche Pilzkrankheit, auf die heimischen Krebse – diese verschwinden nach und nach aus den Schweizer Gewässern.

Auch in der Pflanzenwelt verbreiten sich unerwünschte fremde Arten – die Neophyten: Der Riesenbärenklau aus Georgien und die Kanadische Goldrute säumen immer flächendeckender unsere Flussufer und stellen die einheimische Vegetation regelrecht in den Schatten. Die Aufrechte Ambrosie aus der nordamerikanischen Prärie macht vielen Menschen mit der allergenen Wirkung ihrer Pollen das Leben schwer.

Was kann man dagegen tun?

Sind die Eindringlinge einmal hier, wird man sie kaum wieder los: «Ein erfolgreiches Ausrotten kann man möglicherweise bei langlebigen Pflanzen wie Bäumen oder bei Säugetieren erreichen, die man durch Fällen oder gezielten Abschuss am unkontrollierten Ausbreiten hindert», fasst Nentwig mögliche Massnahmen zusammen. Ansonsten heisst das Rezept Schadensminimierung vor Ort – etwa durch das Verbot der Freisetzung gewisser Arten; in der Schweiz gilt ein solches für drei Tier- und elf Pflanzenarten. Zusätzlich versuche man, neue Einschleppungen zu vermeiden, wie Nentwig erklärt – etwa mit Quarantäne-Massnahmen oder Einfuhrrestriktionen. Viele invasive Organismen sind nämlich Trittbrettfahrer der Globalisierung mit ihrer steigenden Mobilität und regem Handel.

Gewisse Arten wurden aber fatalerweise absichtlich eingeflogen, so auch der Asiatische Marienkäfer. Er sei zur Schädlingsbekämpfung gezüchtet und in den USA zum Schutz von Zier- und Blattläusen eingesetzt worden, erklärt Ökologe Nentwig. «In Europa wurde er mit dem gleichen Ziel in Gewächshäusern ausgesetzt, aus denen er schliesslich entwischte.» Und damit zum Unglückskäfer wurde.