Mit dem virtuellen Bergführer dem Eiger entlang

Wer auf den Klimapfaden der Uni Bern durch die Jungfrauregion wandert, lernt, wie sensibel die schier unerschütterlichen Berge auf den Klimawandel reagieren. Einer der Pfade führt von der Pfingstegg hinauf zur Bäregg-Hütte und zeigt eindrücklich die Naturgefahren, die hier lauern.

Von Matthias Abplanalp 05. Juni 2009

«Wir stehen neben der Bergstation der Pfingstegg-Bahn und schauen über das Tal hinaus, das sich vor uns ausbreitet.» Es ist ein spezieller Bergführer, der uns hier oben begrüsst: der Jungfrau Klimaguide, eine Stimme, die aus einem iPhone spricht. «Im Talboden liegt Grindelwald – ein Dorf, welches sich seit jeher mit der imposanten Umgebung hat arrangieren müssen.» Der Klimapfad, der hier auf 1400 Metern über Meer, 400 Meter über dem Talkessel der Schwarzen Lütschine startet, handelt von Naturgefahren: Rutschungen, Lawinen, Felsstürzen und Murgängen.

Touristengruppe auf dem Berg mit Klimaguide
Erik Thurnherr von der Firma Texetera demonstriert den Journalisten den Klimaguide, den er im Auftrag der Uni Bern praktisch umgesetzt hat. Bilder: ma

Ein Juchzer am Info-Standort

Auf dem Bildschirm des iPhones erscheint eine GPS-gestützte Karte. Ein kleiner blauer Punkt markiert den Standort, eine rote Linie zeigt den Weg. Nach zehn Minuten Fussmarsch durch die atemberaubende Bergwelt meldet sich der Klimaguide mit einem kurzen «Ju-huch-hui» – wir haben den zweiten Informationsstandort erreicht, und ein weiteres Hörstück beginnt. Es erzählt davon, wie der Grindelwaldgletscher noch vor 150 Jahren bis weit ins Tal hinunter reichte. Dann spricht auf einmal Professor Heinz Zumbühl, der sich an der Uni Bern mit der Geschichte der Gletscher beschäftigt. Es ist eines von zahlreichen Interviews, die den Guide bereichern.

Aussicht vom dritten Infostandort aus auf Grindelwaldgletscher und Gletschersee
Vom dritten Infostandort auf dem Pfingstegg-Pfad ist der Untere Grindelwaldgletscher und – wenn der Pegel genug hoch ist – der Gletschersee zu sehen.

Der spektakuläre Felssturz

Hinauf zum dritten Informationspunkt lässt man die Waldgrenze unter sich. Das Gelände wird steiler, die himmelhohen Berge kommen näher. «Sie sehen nun den Unteren Grindelwaldgletscher und die Schlucht, die er geformt hat.» Der virtuelle Bergführer erklärt, wie durch den Rückgang des Gletschers die gegenüberliegende Felswand instabil wurde und sich deshalb immer wieder Gesteinsmaterial aus dem Berg löst. Etwas weiter oben sieht man die Überreste des spektakulären Felssturzes, der vor drei Jahren 500'000 Kubikmeter Fels zu Tal beförderte.

Kameras beim Gletschersee

Dieser Felssturz versperrte den Abfluss des Gletschers dermassen, dass ein Gletschersee entstand: eine neue Naturgefahr für die Talbewohner, denn wenn der Seepegel zu stark ansteigt, drohen Überschwemmungen, wie aktuell in den Medien berichtet wird. Beim sechsten Standort, oberhalb der Bäregg-Hütte, sehen wir die Messstation, wo Kameras den Gletschersee filmen. Der Geologe Hans Rudolf Keusen nimmt eine Einschätzung der Lage vor. Es ist beruhigend, in dieser von Naturgefahren geplagten Region auch den Gefahrenexperten virtuell zur Seite zu wissen.

Ein letzter Juchzer. «Stellen Sie sich am Ende des Zauns hin und schauen sie in Richtung des Gletschers.» Vom siebten und letzten Informationsstandort des Klimapfads «Pfingstegg – Bäregg» aus würde man die Stieregg-Hütte sehen, wäre nicht 2005 die ganze Alp verschwunden: Als der Gletscher schmolz und der Boden an seinen Seiten zu erodieren begann, ist die Stieregg innerhalb von wenigen Jahren weggerutscht. «Der Grund für die Rutschung war der Klimawandel», erklärt der virtuelle Bergführer.

Kaspar Meuli am Mikrofon
Auf Bort oberhalb von Grindelwald lancierte Projektleiter Kaspar Meuli von der Uni Bern den Jungfrau Klimaguide.

Die Alpen sind besonders sensibel

Das Schicksal der Stieregg-Hütte ist ein eindrückliches Beispiel dafür, was die Universität Bern mit ihren sieben Klimapfaden in der Jungfrauregion erreichen will: den Klimawandel erfahrbar machen, wo er bereits heute seine Spuren hinterlässt. «Die Alpen reagieren besonders sensibel auf den Klimawandel», erklärt Projektleiter Kaspar Meuli. Auf dem Rückweg zur Pfingstegg, mit dem Wissen des Klimaguide im Hinterkopf, wirken die gewaltigen Felswände des Jungfraumassivs nicht mehr ganz so unerschütterlich. Die Ruhe ist trügerisch.

Jungfrau Klimaguide

ma. Der Jungfrau Klimaguide ist eine in iPhones eingespeiste Fülle an Klimawissen. Neben den Hörstücken, die den Benutzerinnen und Benutzern an den insgesamt 43 Standorten auf 7 Klimapfaden automatisch angeboten werden, beinhaltet er auch jede Menge Videos, Textmaterial und sogar einen Schlüssel zur Bestimmung von Bergblumen. Die Geräte können bei den Tourismusbüros in der Region Lauterbrunnen/ Grindelwald für 20 Franken gemietet werden. Ein Teil des Angebots kann über die Webseite (siehe Link unten) für 11 Franken auf das eigene iPhone heruntergeladen werden.