Auf der Suche nach dem heiligen Gral

Ab jetzt ist die Ausstellung «Schachzabel, Edelstein und der Gral» über mittelalterliche Handschriften in der Zentralbibliothek zu sehen. Es geht darin um Fabelwesen, die Suche nach dem heiligen Gral und um Schach, das vornehmste Brettspiel des Mittelalters.

Von Matthias Abplanalp 18. März 2009

Der Titel habe ihn überfordert, gab Uni-Rektor Urs Würgler zu. Wohl nicht nur ihn. «Schachzabel, Edelstein und der Gral» heisst die Ausstellung über mittelalterliche Handschriften, die im Kultur-Casino eröffnet wurde. Dabei ist die Geschichte des Parzival, die im Mittelpunkt der Ausstellung steht und zu den bedeutendsten Werken der deutschen Literatur gehört, immer noch aktuell – ja zeitlos: Parzival, ein jugendlicher Tor, steigt auf Umwegen zum Ritter in König Artus’ Tafelrunde und zum Herrscher über das mystische Gralsreich auf. Die Jagd des Hollywood-Abenteurers Indiana Jones nach dem heiligen Gral, Lara Crofts Suche nach dem Schwert Excalibur oder die Figuren der Science-Fiction-Saga Star Wars, die modernen Ritter der Artusrunde: «Überall finden wir Parzival heute», erläuterte Claudia Engler, Direktorin der Burgerbibliothek Bern.

Parzival lernt König Artus kennen: Zur Faszination der mittelalterlichen Handschriften gehören auch die kolorierten Federzeichnungen. (Bilder: Matthias Abplanalp)

Schach, das Spiel der Spiele

Wie der Parzival berichten viele Versromane des Spätmittelalters von Fabelwesen, Rittern und ihren Abenteuern. So auch «Der Edelstein», eine Sammlung von 100 Fabeln, die der Berner Mönch Ulrich Boner um 1350 vom Latein ins Deutsche übersetzte. Das «Schachzabelbuch» Konrads von Ammenhausen, der dritte Eckpfeiler der Ausstellung, ist im Gegensatz dazu ein didaktischer Text und die bedeutendste Schach-Allegorie der deutschsprachigen Literatur. «Schachzabel» ist die mittelalterliche deutsche Bezeichnung für das Schachspiel, das zu jener Zeit als das vornehmste unter den Brettspielen galt und in der Literatur oft als Gleichnis für die Gesellschaft verwendet wurde: Das Brett repräsentiert die Stadt, die Figuren sind Vertreter der sozialen Gruppen. Besucherinnen und Besucher der Ausstellung erfahren etwa, dass direkt hinter dem Wirt (einer der Bauern) unbedingt ein Richter (einer der Läufer) stehen sollte, damit dieser im Falle einer Prügelei im Wirtshaus sofort Gericht halten kann.


Nach der Vernissage im Kultur-Casino luden die Ausstellungsmacher an die Artustafel: zum Apéro in der Zentralbibliothek.

Abschrift aus dem Jahr 1467

Rund um diese drei Werke haben das Institut für Germanistik, die Universitätsbibliothek und die Burgerbibliothek Bern die Ausstellung erarbeitet, die bis Ende August in der Zentralbibliothek an der Münstergasse zu bestaunen ist. Zu sehen ist auch die letzte heute erhaltene Abschrift des Parzival, entstanden im Jahr 1467, die in der Burgerbibliothek aufbewahrt wird. Sie unterscheidet sich im Wortlaut stark vom ursprünglichen Versroman, den Wolfram von Eschenbach um 1200 verfasst hat. Der Textbegriff war im Mittelalter ein ganz anderer als heute, Übersetzer bearbeiteten ihre Vorlagen frei: «Unsere Vorstellung von Autorschaft und Original, wie wir sie von der neuzeitlichen Literatur kennen, wird den mittelalterlichen Verhältnissen nicht gerecht», wird in der Ausstellung erklärt.

Der digitale Parzival

So ist jede Abschrift einzigartig und wird, auch wegen des aufwendigen Herstellungsprozesses der Handschriften, zu einem wertvollen Zeitzeugnis. Heute ist dies ganz anders: «Mit der digitalen Reproduktion schaffen wir einen eigenen Wert, den wir immer dann erkennen, wenn Archive verloren gehen», erklärt Michael Stolz, Experte für germanistische Mediävistik an der Universität Bern. Zusammen mit Studierenden und Assistierenden hat er auf DVD ein Digitalfaksimile der Berner Parzival-Handschrift erstellt: mit Farbabbildungen in veränderbarer Grösse, einer Transkription und einer Einleitung in allgemeinverständlicher Sprache. An der Ausstellung kann der digitale Parzival getestet werden. Daneben gibt es eine Hörstation, welche die Sprache aus jener Zeit zum Klingen bringt und die Besucherinnen und Besucher mitnimmt in die mittelalterlichen Erzählwelten: auf die Suche nach dem heiligen Gral.

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