Die letzte Begegnung mit der Erde
Zehn Jahre dauert die Reise, die Hälfte ist vorbei: Mit dem letzten Vorbeiflug verabschiedet sich die Rosetta-Mission der ESA, die Berner Messgeräte mit an Bord trägt, von der Erde. Die Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie lud zur Halbzeit der Mission zum Fest.
Punkt 08:47 mitteleuropäischer Zeit sagte sie «Goodbye»: Rosetta, die Kometenmission der ESA, passierte am 13. November in rund 2500 Kilometern Entfernung zum letzten Mal die Erde. Sie holte damit den nötigen Schwung um ihr entferntes Ziel zu erreichen: Die Sonde fliegt nun mit zirka 60’000 Stundenkilometern Richtung äusseres Sonnensystem, wo sie im Jahr 2014 den Kometen Churyumov-Gerasimenko treffen wird. An Bord fliegt Rosina, ein Massenspektrometer der Berner Weltraumforschenden, mit. Den letzten Vorbeiflug – und damit die Halbzeit der zehnjährigen Mission – feierten die Planetologen des Physikalischen Instituts mit mit einem Abend der offenen Tür und einem festlichen Rückblick auf die Entwicklungs- und Bauphase von Rosina. Gleichzeitig lud das Institut zur Vernissage des Buches «Archäologie im All»: Die Berner Forschenden Kathrin Altwegg und Hans Balsiger haben sich auf die Suche nach dem Ursprung des Lebens gemacht und ein spannendes Buch über die Berner Weltraumforschung herausgegeben (siehe Kasten).
Auf dem Weg ins weite All: die Rosetta-Sonde. (Bilder: ESA)
Gas-Analyse im weiten All
Auch Rosetta ist auf der Suche nach dem Ursprung. Die Wissenschaftler aus 14 Ländern erhoffen sich von der 1000-Millionen-Euro schweren Kometenmission Aufschluss über die Entstehung des Sonnensystems. Kometen sind nämlich archäologische Fundgruben, da sie aufgrund ihrer weiten Entfernung zur Sonne seit dem Urknall vorhandenes Material am besten konserviert – nämlich tiefgefroren – haben. Die Weltraumforscher wollen mit den elf Instrumenten, die mit Rosetta zu Churyumov-Gerasimenko fliegen, dieses Urmaterial analysieren. In genau fünf Jahren wird Rosetta eine Landesonde auf den Kometen absetzen und diesen auf seiner Umlaufbahn begleiten.
Je näher der Komet auf seiner Bahn der Sonne kommt, desto mehr tiefgefrorene Teilchen werden verdampfen. Und dann kommt unter anderem die Bernerin Rosina zum Zug: Die zwei Massenspektrometer und der Drucksensor werden diese Gase chemisch analysieren. Aufgrund der Elementhäufigkeiten (Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff u.a.) können die Kometengase mit anderen im Sonnensystem existierenden Gasmischungen verglichen werden. Diese Analysen werden möglicherweise die Entstehung von organischem Material – und schliesslich des Lebens – liefern.
Energie durch «planetarisches Pingpong»
Noch müssen sich aber alle weiter gedulden: Die Mission dauert schon lange, seit Weltraumforscher Hans Balsiger das Projekt für die Berner 1984 an Land gezogen hatte – und dauert weiter: Die Entfernung zu Churyumov-Gerasimenko beträgt 480 Millionen Kilometer. Diese immense Distanz machte es nötig, dass Rosetta in einem so genannten «planetarischen Pingpong» beschleunigt werden musste, wie es Forscherin Kathrin Altwegg nennt. Drei Vorbeiflüge an der Erde und einer am Mars machte Rosetta schnell genug für ihre Mission an den äusseren Rand des Sonnensystems und brachte sie auf die gleiche Umlaufbahn wie Churyumov-Gerasimenko.
Unterwegs hat Rosina ihre Qualitäten bereits bewiesen: «Bis auf eine seltsame Grippe des einen Massenspektrometers funktioniert alles bestens», sagte Altwegg bei der Projektpräsentation im vollen Hörsaal. Auch für den «Husten» des kränkelnden Instruments sei bereits eine Software-Lösung gefunden worden, ergänzte sie sofort. Die Projektverantwortlichen Altwegg und Balsiger sind zuversichtlich, dass Rosina mit ihren drei Hightech-Geräten für ihre Mission auf Churyumov-Gerasimenko bereit sein wird.
Mit einem letzten Bild im Vorbeiflug hat sich «Rosetta» von der Erde verabschiedet.
Tolle Bilder einer Hightech-Kamera
Erst aber passiert die Rosetta-Sonde nächstes Jahr den Kometen Lutetia und schwenkt schliesslich in die Umlaufbahn des Zielkometen ein. «Von 2011 bis 2014 wird Rosina abgeschaltet. Aber heute in fünf Jahren sehen wir uns wieder hier. Dann heisst es – Landung auf Churyumov-Gerasimenko», sagte Altwegg zum Schluss. Von der Erde hat sich Rosetta heute mit tollen Bildern im Vorbeiflug verabschiedet. Geschossen wurden die Aufnahmen von «Osiris», dem Bildgebungssystem an Bord der Rosetta. Und auch hier zeichnet ein Berner mitverantwortlich: Nicolas Thomas’ Doppelkamerasystem hat eine Auflösung von vier Zentimetern auf einen Kilometer. Und es wird den Kometen Churyumov-Gerasimenkoa auf eine Million Kilometer Entfernung sehen.