Schlemmen wie die ersten Siedler Berns
Archäologie hautnah: An den Brenodurum-Tagen wandelten Bernerinnen und Berner auf den Spuren der ersten Siedler der Region. Archäologen liessen die keltische und römische Welt unserer Vorfahren wiederaufleben: mit Köstlichkeiten aus früher Zeit, sprühenden Funken in der Schmiedwerkstatt und antiker Mode.
Hydromeli, ein erfrischendes Getränk aus Apfelsaft, Wasser und Honig, schmeckt vorzüglich – ebenso der heiss servierte Gewürzwein. Dazu gibt es Brötchen mit Knoblauch-Kräuterfrischkäse oder Oliventapenade. «Das assen die Römerinnen und Römer gerne zum Frühstück», erklärt Küchenchefin Corinne Hodel. Sie und andere Studierende und Ehemalige haben sich für die Brenodurum-Tage vom Wochenende als Kelten und Gallorömer verkleidet und bringen den Besuchern das Leben im frühen Bern nahe. Auf die Engehalbinsel eingeladen hat das Institut für Ur- und Frühgeschichte & Archäologie der Römischen Provinzen anlässlich des 175-Jahr-Jubiläums der Universität. Der Archäologische Dienst des Kantons Bern, das Historische Museum Bern und das Medizinhistorische Institut der Universität haben mitgearbeitet. «Bernerinnen und Berner sollen einen Überblick in die Archäologie und Geschichte der keltischen und römischen Stadt auf der Engehalbinsel erhalten. Darüber hinaus wollten wir ihnen einen Einblick in das Leben vor 2000 Jahren ermöglichen», so Professorin Stefanie Martin-Kilcher. Handfestes wie Essen, Kleidung, Spiele oder die damalige Schmiedekunst halfen der Vorstellungskraft auf die Sprünge.

Badekultur und Weiheritual
Das nötige Hintergrundwissen lieferte eine Posterausstellung, die ab dem 25. September auch im Historischen Museum zu besichtigen ist. Zudem fanden Führungen in den nahe gelegenen Reichenbachwald statt. Er ist reich an archäologischen Funden wie beispielweise dem römischen Bad, das am vergangenen Wochenende von Badesklaven wiederbelebt wurde. Auf unterhaltsame Art und Weise führten Studentinnen und Studenten die typische römische Badekultur vor Augen. Weiter machten sie mit einem nachgestellten Weiheritual auf der Wiese vor dem Wald auf den heiligen Bezirk aufmerksam, der dieser Ort einmal war. Wo heute die Matthäus-Kirche steht, befand sich in keltischer und römischer Zeit nämlich ein wichtiges Heiligtum. Davon zeugen Reste von Tempeln und Spuren von Kulthandlungen und Opfermahlzeiten sowie keltische und römische Gräber, die bei Ausgrabungen vor über hundert Jahren gefunden wurden.

Schädel geben Auskunft
Brenodurum, wie die Stadt auf der Engehalbinsel laut einem ausgegrabenen Zinktäfelchen wohl hiess, war eines der frühesten städtischen Zentren im Gebiet der heutigen Schweiz und eine der grossen Städte im keltischen Europa – ein politisches und religiöses Machtzentrum, dessen Anfänge auf 250 v. Chr. datiert sind. Da die Kelten kaum schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben und vor allem in römischen Quellen erwähnt werden, sind die Grabfunde umso wichtiger. Archäoanthropologen und Mitarbeitende vom Institut für Medizingeschichte nehmen menschliche Skelettfunde unter die Lupe. An den Brenodurum-Tagen stellten sie ihre Arbeit vor: Die Besucherinnen und Besucher konnten Skelette und Schädel ansehen und erfahren, wie die Experten anhand der Knochen das Geschlecht und das Alter der verstorbenen Person ermitteln. Krankheiten und Verletzungen werden ebenfalls genau untersucht. Mangelerscheinungen, die sich an den Knochen nachweisen lassen, geben beispielsweise Aufschluss über die damalige Ernährung und Lebensbedingungen.

Arena als Mode-Showroom
Unter römischer Herrschaft – nach der Eroberung Galliens um 50 v. Chr. – verlor Brenodurum an Bedeutung, war aber nach wie vor Mittelpunkt einer helvetischen Region. Davon zeugt neben dem Bad das heute noch gut sichtbare Theater mit birnenförmiger Arena. Für seinen Bau verwendeten die Römer die Aufschüttungen, die ein sechs Meter hoher Schutzwall der Kelten hinterlassen hatte. Somit befanden sich gleich beim Eingang in die Stadt das Theater und die Tempel in unmittelbarer Nähe – weltlicher und sakraler Bereich überschnitten sich. Das Theater diente denn wohl auch nicht nur als Schauplatz für Aufführungen, sondern wurde an Feiertagen in Kulthandlungen einbezogen. Dieses Wochenende kam eine zusätzliche moderne Nutzungsweise hinzu: Die Arena als Showroom für historische Mode. Studierende führten kunstvoll gefertigte keltische und römische Kleider mit passenden Accessoires wie Schuhen, Hauben und Fibeln vom 2. Jh. v. Chr. bis zum 3. Jh. n. Chr. vor. Immer humorvoll in den jeweiligen Kontext gesetzt: So bestaunten die Zuschauer zum Beispiel das schön herausgeputzte Mädchen auf dem Weg zum Liebhaber, Mutter und Kind mit Gemüse im Korb auf dem Weg zurück vom Markt und den reichen Kaufmann nach einem erfolgreichen Geschäft mit prall gefülltem Geldbeutel – und entsprechend dickem Bauch.
Ausstellung «Berns frühe Zeit»
Vom 25. September bis zum 18. Oktober ist die Posterausstellung zum frühen Bern als Ergänzung zur Ausstellung «Kunst der Kelten» im Historischen Museum Bern zu besichtigen, Kleiner Mosersaal, Helvetiaplatz 5, 3006 Bern.