Schwalben halten sich nicht an Bauernregel

Schwalben taugen nicht als Wetterfrösche: Ihre Flughöhe ist nicht so klar Wetter abhängig, wie der Volksmund sagt. Ein Biologe aus Bern widerlegt eine Bauernregel.

Von Bettina Jakob 07. April 2009

«Fliegen die Schwalben in den Höh’n, kommt ein Wetter das ist schön.» Das ist eine der vielen Bauernregeln, aus alten Zeiten überliefert und bis heute in den Alltag übertragen. Wieviel Wahrheit sie tatsächlich beinhalten, wurde bisher selten quantitativ überprüft. Anders sieht das nun bei der Schwalben-Regel aus: Der Biologe Peter Biedermann, der an der Ethologischen Station Hasli an der Uni Bern tätig ist, kann Daten vorweisen, welche die Regel widerlegen. Ganz kategorisch will es Biedermann nicht formulieren – aber: «Unsere Befunde mahnen, Vorsicht über solche lineare Erklärungsmodelle – wie ebendiese Bauernregel –  walten zu lassen.» Wetterprognosen anhand von Tierverhalten seien fragwürdig, weil dieses von vielen inneren und äusseren Einflussfaktoren bestimmt werde. Aus der vorliegenden Studie geht jedenfalls klar hervor: Schwalben fliegen bei schlechtem Wetter nicht tiefer als bei Sonnenschein.
 

Schwalbe von unten beim Fliegen
Schwalben fliegen nicht nach Volksweisheiten. Bild: istock

Der Sonnenschein ist nicht einziger Faktor

Biedermann führte die Untersuchungen zusammen mit seinem Kollegen Martin Kärcher, der an der University of Sheffield forscht, im Südweststeirischen Hügelland in Österreich durch. An vier Standorten von insgesamt 6,6 Hektaren Grösse registrierten die Biologen die Aktivität der Schwalbenkolonien; rund 350 Mehlschwalbentrupps und 950 Rauchschwalbentrupps wurden beobachtet. Zusätzlich notierten die Forscher Witterungsbedingungen wie Bewölkung, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Windstärke, Sichtweit und Temperatur.

Folgende Resultate kamen heraus: Die Flughöhe der Rauchschwalben ist nicht Wetter abhängig – und die Mehlschwalbe fliegt entgegen der Bauernregel sogar signifikant tiefer, wenn die Sonne scheint. Allerdings fällt auf, dass beide Arten bei schlechtem Wetter – also bei einer Bewölkung von über 50 Prozent – aktiver im Beobachtungsgebiet unterwegs waren. Biedermann führt dies darauf, zurück, dass die Vögel bei schönem Wetter ihren Aktionsradius ausweiten, um ergiebigere Nahrungsquellen zu finden.

Wie sich die Beutetiere bewegen

Schwalben passen ihre Futtersuche offenbar sehr schnell den lokalen und situativen Verhältnissen an. Von dieser Beobachtung müssen auch die Verfasser der Bauernregel ausgegangen sein, wie Biedermann sagt –  was eigentlich auch der richtige Ansatz sei: «Bei schönem Wetter erwartet man aufgrund der Thermik durch die Sonneneinstrahlung, dass die Beutetiere der Schwalben, kleine Insekten also, höher hinauf getragen werden. Was folgern lässt, dass auch die jagenden Vögel höher fliegen müssten», erklärt Biologe Biedermann. An diesem Punkt setze jedoch eine mögliche Fehlinterpretation an: Die Thermik wird zwar durch die Sonneneinstrahlung beeinflusst, aber auch durch den vorherrschenden Luftdruck. Und tatsächlich ist der Luftdruck bei schönem Wetter grundsätzlich höher, wie die Meteorologie sagt – «allerdings nur bei beständig schönem Wetter», fügt Biedermann an.

Ist das Wetter wechselhaft, wie es während der Feldstudie von Biedermann und Kärcher der Fall war, kann der Luftdruck auch bei Sonnenschein tief sein. «Und so fliegen die Schwalben auch bei Schönwetter mal knapp über dem Boden.»