Der Mond zum Greifen nah

Teleskope und Sternkarten basteln, eine Astronautenausbildung durchlaufen, astronomische Vorträge hören und einen atemberaubenden Blick ins All erhaschen: Das wurde in der «Nacht der Sterne» vom 4. April geboten. Die Sternwarte «Sirius» im Berner Oberland wurde von Interessierten regelrecht überrannt.

Von Res Mettler 06. April 2009

Von Gunten am Thunersee geht es mit dem Bus die kurvige Stasse hinauf nach Sigriswil und weiter durch die Höger nach Schwanden. Hier oben in der klaren Luft, weit ab von den Lichtern der Städte, thront die Sternwarte «Sirius». Die Universität Bern führt hier und in vier weiteren Sternwarten im Kanton die «Nacht der Sterne» durch. Viele Familien mit Kindern tummeln sich schon am Nachmittag vor dem Zelt neben der Sternwarte. Die Kinder können hier gleich eine Ausbildung zum Astronauten oder zur Astronautin machen. Im weissen Astronauten-Anzug müssen sie mit einem dreirädrigen Mondmobil über holpriges Gelände fahren und sich auf Platzangst testen lassen, indem sie durch einen engen Stoffschlauch kriechen. Schliesslich üben sie mit einer Schweissermaske blindlings nach dem verlorenen Raketenschlüssel zu suchen – solche Fähigkeiten sind auf einer zuküftigen Raumfahrtmission wichtig.

Das eigene Teleskop basteln: Dieser Workshop war an der Nacht der Sterne der Renner.  (Bilder: rm)

Teleskope selber bauen

Drinnen im Zelt hat das Physikalische Institut der Uni Bern seine Tische aufgestellt. In einer Ecke können sich die Besucher mit Schere und Hammer eine Sternkarte basteln, und am Tisch nebenan werden sie von Mitarbeitenden der Uni beim Bauen eines kleinen Teleskops instruiert. Die Teleskop-Bausätze sind der Renner des Tages. Zu den Stosszeiten warten die Besucher über eine Stunde um sich ein eigenes Teleskop basteln zu können. Thomas Beck, Assistent am Physikalischen Institut, hat nicht mit so vielen Besuchern gerechnet: «Der Ansturm war enorm.»

Kurz nach 19 Uhr zeigt steigt der Mond hinter der Alpenkette empor. Jetzt drängen sich die Besucher zur weissen Kuppel, dem Kernstück der Sternwarte, um den Erdtrabanten einmal von nahem zu betrachten. In der Kuppel ist das grosse Teleskop montiert, mit dem sich die Himmelskörper bis zu 900 mal vergrössern lassen. Manch einer staunt über die Krater des Mondes, die man mit dem Teleskop deutlich sieht. Eine ältere Besucherin meint: «Es ist schon ein komisches Gefühl, den Mond so nahe zu sehen. Irgendwie wirkt er durchs Teleskop nicht real.» Zwei Kinder sind vom Anblick so begeistert, dass sie sich gleich dreimal nacheinander an der Schlange anstellen.

Für einmal vermochten die Berge nicht alle Blicke auf sich zu ziehen: Sternguckerinnen im Berner Oberland.

Gibt es eine zweite Erde?

Im Raum unter dem grossen Teleskop befindet sich das Planetarium. Hier halten Assistenten und Professoren des Physikalischen Instituts bis in die Nacht hinein Vorträge, etwa zu den Gezeiten und Jahreszeiten oder über «die grünen Männchen im All». Etwa vierzig Männer, Frauen und Kinder sitzen in einer Runde im kuppelförmigen Planetarium, als Martin Jutzi von der Uni Bern seinen Vortrag beginnt. Er geht der Frage nach, ob die Erde im Universum einzigartig ist, oder ob es irgendwo Planeten gibt, auf denen Leben wie bei uns möglich ist. Um diese Frage zu beantworten, müsse man erst Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems entdecken. Das ist aber gar nicht so einfach, weil Planeten im Gegensatz zu den Sternen nicht von selber leuchten. Zudem werden sie von den Sonnen, um die sie kreisen, überleuchtet. «Einen extrasolaren Planeten zu entdecken ist etwa gleich schwierig, wie ein Glühwürmchen vor einem Scheinwerfer zu sehen», erklärt Jutzi das Problem anschaulich.

Bis heute wurden 330 Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems nachgewiesen. Keiner davon ist aber der Erde sehr ähnlich. Das heisse nicht, dass es solche Planeten nicht gebe, nur seien kleine Planeten wie die Erde mit den heutigen Methoden schwer zu entdecken. Ein Mann aus dem Publikum fragt: «Wie lange lebt eigentlich die Sonne noch?» Zur Erleichterung der Anwesenden antwortet Martin Jutzi: «Etwa fünf Milliarden Jahre wird sie schon noch weiterbrennen.»

Von der Grösse überwältigt

Inzwischen ist es dunkel geworden, und das Sternenmeer zeigt sich in seiner ganzen Pracht. Das grosse Teleskop ist auf den Orion-Nebel gerichtet, den man von blossem Auge im Schwert des Sternbilds Orion sehen kann. Betrachtet man diesen leuchtenden Nebel, schauen wir 1350 Jahre zurück in die Vergangenheit: So lange braucht das Licht nämlich, bis es bei uns ankommt. Jetzt dreht sich die Kuppel über dem Teleskop und die Linse wird auf den Saturn scharf gestellt. Deutlich kann man die Ringe des Gas-Planeten erkennen. Ein Mann meint treffend: «Da nehmen wir uns so wichtig, und wenn man dann all diese Sterne und Planeten am Himmel sieht, merkt man, wie klein wir im Grunde genommen sind.»

Res Mettler ist Student und Redaktor des unikum, des Magazins der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB).

 

 

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