Der merkwürdige Sprung von der Münsterplattform

Was ist genau passiert? Auch nach 350 Jahren bewegt das Ereignis die Medien: Student Weinzäpflis Sprung mit dem Ross über die Münsterplattform. Dies ist eine der wilden Uni-Geschichten, die in loser Serie erscheinen. Aktuelles gibts wieder ab dem 18. August.

Von Franziska Rogger 12. August 2009

Dass Ende Mai 1654 Teobold Weinzäpfli, ein Student der Berner «Hohen Schule», den Sturz mit seinem Pferd über die Münsterplattform hinunter überlebte, grenzte an ein Wunder. Johann Rudolf Gruner publizierte 1732 diese Berner «Merckwürdigkeit» mit nachhaltigem Erfolg. Noch heute wird in Zeitungen disputiert, wann genau was, wo, wie und warum passierte. War Weinzäpfli namensgerecht voll des süssen Weins, als er in den frühen Morgenstunden dem Pferd übermütig die Sporen gab? Oder ging ein erschreckter Karrengaul mit dem frommen Theologieschüler Weinzäpfli durch? Plumpste Teobold in die Tiefe, wurde er in hohem Bogen geschleudert oder segelte er mit seinem Radmantel dreissig Meter an schroffer Felswand vorbei? Eine noch heute zum Gedenken angebrachte Tafel schiebt die Rettung auf die Vorsehung und den Allmächtigen.


Der Junge auf dem Säumerross erinnere an den Studiosus Weinzäpfli, findet Karl Howald in seiner Stadtbrunnenchronik von 1848. (Bild: Burgerbibliothek Bern)

Auch John Le Carré entschied sich in seinem Spionagethriller für die Version eines «frommen Manns», der «von seinem Pferd abgeworfen» wurde. Mit dieser Lichtgestalt schuf er den Kontrast zum weniger frommen Sowjet-Diplomaten, den er in seinem Roman an gleicher Stelle von «Smiley`s People» entführen liess. Werner Bergengruen hingegen umkreist mehrere Versionen. Sein «letzter Rittmeister» meinte angesichts des betrunkenen lebenden Mannes und des nüchternen toten Pferdes auch: «Die Seele urteilt eben in einem betrunkenen Leibe sicherer als in einem nüchternen: sie weiss das Rechte.» Gesichert ist, dass Teobold Weinzäpfli 1694 in hohem Alter als Pfarrer von Kerzers verstarb.

Die Texte sind im Rahmen des 175-Jahr-Jubiläums der Uni Bern in den »UniPress»-Magazinen erscheinen. Die Autorin Franziska Rogger arbeitet als Archivarin an der Uni Bern.