Wenn es in Biel plötzlich wie in Saint Tropez aussieht
Welchen Einfluss hat die Klimaerwärmung auf den Wald oberhalb von Biel – und wie sieht dieser im Jahr 2050 aus? Um diese Fragen drehte sich eine Waldexkursion der Uni Bern und des Amtes für Wald anlässlich des Uni-Jubiläums.
Talstation der Standseilbahn Biel-Magglingen, 18 Uhr. Ein heisser Tag geht dem Ende zu, Jürg Schneider vom Amt für Wald des Kantons Bern und Nicolas Küffer vom Botanischen Garten der Uni Bern begrüssen die interessierten Wandererinnen und Wanderer. «In zwei Stunden ans Mittelmeer?»: So lautet der Titel des geplanten Spaziergangs, der nach der Fahrt hinauf nach Magglingen die Gruppe wieder nach Biel hinunter führen wird.

Waldgrenzen verschieben sich
Gleich nach der Bergstation geht es in den kühlen Wald. «Wir befinden uns hier in einer Waldgesellschaft, die vorwiegend aus Buchen besteht», erklärt Jürg Schneider. Auf rund 820 Metern Höhe mit nicht zu feuchtem, aber auch nicht zu trockenem Boden findet dieses Laubholz seine bevorzugten Bedingungen. Das heisst: «Hartlaubarten wie der Lorbeer, die Korkeichen oder Olivenbäume, wie sie eben am Mittelmeer typisch sind, können heute auf dieser Höhe nicht wachsen», sagt der Fachmann vom Amt für Wald. Doch mit der Klimaerwärmung verschieben sich nun die Waldgrenzen nach oben. Laut Schneider werden sich daher auch die Baumarten hier am Jurasüdfuss verändern.
Biologe Nicolas Küffer zeigt auf die Bodenvegetation, die im Buchenwald typisch ist: «Der Waldmeister und auch das Buschwindröschen wachsen hier in grossen Mengen.» Küffer macht auch auf ein Exemplar des Türkenbundes aufmerksam, eine Lilienart, die mit ihrem gegen Abend versprühten Duft Nachtfalter anzieht.

Vom Garten in den Wald: der Kirschlorbeer
«Bis ins Jahr 2050 geht man von einem Temperaturanstieg von 1,5 bis 5,8 Grad im Sommer aus», erklärt Nicolas Küffer den rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Waldexkursion. Das kann allgemein zu Trockenheit oder zu einer anderen Verteilung des Niederschlages im Jahreslauf führen. «Nun könnte man den prognostizierten Zustand des Waldes in 40 Jahren anstreben», erklärt der Förster Jürg Schneider, und in Biel eine Bepflanzung anlegen, wie sie heute beispielsweise im viel wärmeren Saint Tropez vorkomme. «Das ist aber der falsche Ansatz», meint Schneider. Denn in den Prognosen zur Waldentwicklung in den nächsten 40 bis 50 Jahren seien viele unbekannte Variablen enthalten. «Eine absolut präzise Voraussage, wie der Wald dann aussehen und auf den Klimawandel reagieren wird, ist nicht möglich.»
Klar ist aber, dass in den Schweizer Wäldern bereits eine Veränderung der Vegetation sichtbar ist. «Durch die wärmeren Temperaturen dringen auch nicht heimische Pflanzen, so genannte Neophyten, in die Wälder ein», erklärt Nicolas Küffer. Er zeigt auf die Blätter des Kirschlorbeers, der als typischer Gartenstrauch den Sprung vom Garten in den Wald geschafft hat. Als Beispiel für einen gefährlichen Eindringling ins Ökosystem stellt Küffer den Japanischen Stauden-Knöterich vor: «Diese Pflanze ist sehr robust und verdrängt die einheimische Flora.»
Buchen auf dem Gotthard
«Die aktuelle Klimaveränderung ist nicht die erste, die jemals erfolgt ist», so Nicolas Küffer, «aber sie ist die erste, die derart schnell abläuft, und für die der Mensch auch mit seinem Verhalten verantwortlich ist.» Im Zeitraum von der letzten grossen Eiszeit 25‘000 Jahre vor Christus bis 1900 hat sich das Klima um rund fünf Grad erwärmt. Allein in den letzten 100 Jahren ist die Durchschnittstemperatur ebenso um fünf Grad gestiegen. «In 50 Jahren herrscht auf dem Gotthard eine Temperatur, die dort den Wuchs von Buchen ermöglichen wird», meint der Biologe.
Hat die Wanderung die Gruppe nun tatsächlich ans Mittelmeer geführt? Jürg Schneider fasst zusammen: «Die Höhe der Bäume hat während der Wanderung nach Biel hinunter radikal abgenommen, und wir haben hier nun eine grössere Vielfalt an Baumsorten», erklärt Jürg Schneider. Die Vegetation hat sich innerhalb der rund 400 Höhenmeter stark verändert. Mit den prognostizierten Temperaturerhöhungen sei südfranzösisches Klima in Biel durchaus möglich. «Wir alle sind von der Klimaerwärmung betroffen, nicht nur der Wald»: Mit diesen Worten schliesst Biologe Küffer am Ende des Rundgangs beim Pavillon, wo eine wunderbare Sicht auf den Bieler See herrscht. «Und mit der Energie sorgfältiger umgehen, das ist für alle Menschen möglich», appelliert Küffer an die Exkursionsteilnehmer. Vielleicht könne so der Prozess der Klimaerwärmung verlangsamt werden.
Daniela Rölli ist Studentin und Redaktorin des unikum, des Magazins der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB)
Weiterführende Links
Die Führung findet am Donnerstag, 25. Juni, nochmals statt. Sie wird dann in französischer Sprache durchgeführt. Treffpunkt ist die Talstation der Magglingenbahn (17.50 Uhr).