Die Erfolgsgeschichte der Berner Soziologie
Das Zusammenleben von Menschen – eine hochkomplexe Angelegenheit. Die Soziologen der Uni Bern widmen sich seit 50 Jahren der Erforschung der Gesellschaft. Heute feiern sie die Gründung des Instituts für Soziologie im Jahr 1960. Es war damals das erste in der Deutschschweiz.
Sie war eine Pionierin – die Soziologie an der Universität Bern. Sie erhielt 1960 das erste universitäre Institut der deutschsprachigen Schweiz. Bei dieser Vorreiterrolle alleine sollte es nicht bleiben: Richard Fritz Behrendt, der erste Direktor, setzte gleich ein weiteres Zeichen für die wichtige Position der Berner Soziologie; er rückte die Entwicklungssoziologie ins Zentrum, die sich mit der Erforschung der sozialen Gegebenheiten in Entwicklungsländern beschäftigt. «Das war damals einmalig», erinnert sich Ruth Meyer Schweizer, emeritierte Soziologieprofessorin der Uni Bern. Nun feiert das Institut das 50-jährige Bestehen mit einem öffentlichen Symposium (siehe Kasten).
Berner Spezialitäten
Auch in der weiteren Geschichte setzte das Institut für Soziologie in der Schweizerischen Hochschullandschaft Meilensteine: Die Berner Soziologen waren in den 70er Jahren unter Walter Rüegg die ersten, die sich mit dem Wertewandel der Schweiz und moderner Gesellschaften allgemein und unter Viggo G. Blücher mit der Alterung der Bevölkerung beschäftigten, so Ruth Meyer Schweizer. «Und das in einer Zeit, in der die Soziologie keinen öffentlichen Status hatte und als unnötiges Fach betrachtet wurde.» In den Neunzigerjahren, als schliesslich die Soziologie in Bern auch als Hauptfach eingeführt wurde, kam gemäss Meyer schon die nächste Berner Spezialität: Unter Professorin Claudia Honegger widmete sich das Institut für Soziologie neben der quantitativen neu auch der qualitativen Sozialforschung, vor allem im Zusammenhang mit Genderfragen.
Mit Durchhaltewillen durch stürmische Zeiten
Die Erfolge in der 50-jährigen Geschichte mussten ab und an auch erkämpft werden. Ruth Meyer Schweizer erinnert sich an die stürmischen Zeiten in den 1970er Jahren, als sie, von Frankfurt her kommend, in der Aarestadt landete: «Am Institut herrschte Chaos, eine kleine Gruppe von Studenten beerdigte die Soziologie vor dem Hauptgebäude der Uni Bern symbolisch in einem Sarg», erzählt sie schmunzelnd. Und noch in jüngster Vergangenheit, vor drei Jahren, wurde etwa aufgrund langer Vakanzen von Professuren über eine Schliessung der Soziologie an der Uni Bern diskutiert. Doch die WISO-Fakultät war dagegen – «eine gute Entscheidung», wie der heutige geschäftsführende Direktor Axel Franzen kommentiert. Und er hat eine erfreuliche Nachricht: Zum ersten Mal seit fünf Jahren sind alle drei Professuren, diejenige für Allgemeine Soziologie, für Methoden der empirischen Sozialforschung und für Sozialstrukturanalyse, besetzt.
Jetzt steht Kontinuität ins Haus
Axel Franzen sieht in dieser Entwicklung ein positives Signal, «dass sich für die nächsten zehn Jahre am Institut für Soziologie Kontinuität abzeichnet». Die Unruhe der letzten Zeit führt er vor allem auf den Generationenwechsel im Institut und auf die Neukonstituierung und die Einführung des Bologna-Systems zurück. «Jetzt stellt niemand mehr die Wichtigkeit der Sozialwissenschaften für die Uni Bern in Frage.» Mit dem neuen Bachelor «Sozialwissenschaften» mit Betriebswirtschaftlehre, Volkswirtschaftlehre, Politikwissenschaft und Soziologie verfüge man über ein «einzigartiges Ausbildungsmodell» in der Schweiz; rund 100 Studierende melden sich jedes Jahr für diesen Studiengang an. Wer sich im weiteren Studium für den Master in Soziologie entscheidet – zurzeit tun dies 20 Personen – für den sieht Franzen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Soziologen wüssten, wie Daten zu erheben sind und beschäftigten sich mit deren Analyse und Interpretation. «Das sind Fähigkeiten, die in modernen Gesellschaften unentbehrlich sind», so Franzen.
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Feier zum Jubiläum
bj. Das Symposium zum 50-jährigen Jubiläum des Instituts für Soziologie findet am Freitag, 24. September, in der Unitobler im Untergeschoss statt. Der Anlass beginnt um 14 Uhr und ist öffentlich. Es treten folgende Referentinnen und Referenten auf: Prof. Dr. em. Peter Atteslander, Prof. Dr. em. Ruth Meyer Schweizer, Dr. Klaus Baumgartner (ehem. Stadtpräsident Bern), Prof. Dr. em. Urs Jaeggi, Dr. Farhad Afshar, Prof. Dr. Hanspeter Kriesi.