Dies academicus: An der Uni viel Neues

Die Alma mater bernensis kann auf ein positives Jahr zurückblicken. Unileitung und Regierungsrat sind mit dem revidierten Unigesetz zufrieden und freuen sich über neue Hörsäle und zusätzliche Nationale Forschungs-Schwerpunkte. Die StudentInnenschaft mahnt zur Reform von Bologna.

Von Bettina Jakob 04. Dezember 2010

Dieses Jahr brachte der Uni Bern viel Gutes: Rektor Urs Würgler konnte an der 176. Stiftungsfeier der Alma mater bernensis – im Schein der Kronleuchter im Casinosaal – auf abermals gestiegene Studierendenzahlen verweisen. Für den Nachwuchs wurde auch gleich mehr Platz geschaffen, so sind kürzlich das neue Hörsaalgebäude auf dem vonRoll-Areal und der Neubau für die Klinische Forschung an der Murtenstrasse eröffnet worden. Ein Ausbau fand auch auf struktureller Ebene statt: Wie in der Strategie vorgesehen, hat die Unileitung Zentren wie das «Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE)» geschaffen. Weiter sollen die Raumforschung und Planetologie sowie das Albert Einstein Zentrum für Fundamentalphysik in universitäre Zentren überführt werden, und schliesslich soll auch ein «Zentrum für Regionalwissenschaften» entstehen, sagte Rektor Würgler in seiner Ansprache. Und er meldet Positives auch aus der Forschung: Die Uni Bern wird neben drei bestehenden neu Heimat für zwei weitere Nationale Forschungsschwerpunkte (NFS) aus dem Bereich der Transportphysiologie und – zusammen mit der ETH Zürich – aus dem Bereich der Technologie ultraschneller Prozesse im molekularen Bereich. An einem dritten NFS in der Nierenforschung ist Bern massgeblich beteiligt.

Zufrieden mit dem vergangenen akademischen Jahr: Uni-Rektor Urs Würgler. (Bilder: Manu Friederich)

Mehr Autonomie und mehr Effizienz

Gut wurde schliesslich auch das revidierte Unigesetz, das heuer vom Regierungsrat verabschiedet wurde und welches «die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Universität wesentlich verbessert», so Würgler. «Entscheidungswege werden verkürzt und Verantwortlichkeiten am richtigen Ort angesiedelt.» Ob all den Autonomie-Diskussionen sei aber stets zu beachten, dass «wir eine staatliche Universität sind, nicht eine marktwirtschaftliche Unternehmung», so der Uni-Rektor. «Wir haben das Privileg, in aller Freiheit durch Forschung und Lehre zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beitragen zu können.» Fortan wird die Berner Unileitung alleine für das gesamte Unipersonal zuständig sein und die ordentlichen Professorinnen und Professoren selber wählen. Und: Der Senat darf bei der Bestellung der Unileitung weiterhin mitbestimmen.

Gute Arbeit trotz immer kleinerer Kantonsbeiträge

Auch in Sachen Finanzen geniesst die Uni Bern künftig mehr Freiheit, sie führt nun eine eigene Rechnung. Das neue Beitragssystem soll den Gestaltungsfreiraum erhöhen, wie Regierungsrat Bernhard Pulver ausführte. Die Uni leiste aber bereits jetzt ausgezeichnete Arbeit – auch wenn der Anteil des Kantons an den Gesamtausgaben der Uni in den letzten Jahrzehnten stets gesunken sei. Obwohl der Kanton nach wie vor Schulden tilgen müsse, will Pulver den Beitrag an die Uni ab 2013 leicht erhöhen. «Finanzpolitik ist Bildungspolitik», hielt Pulver fest – auch gerade im Hinblick auf die kommenden Vorlagen zu Steuersenkungen. «Wenn Sie uns das Geld wegnehmen, wird das an der Bildung nicht spurlos vorbeigehen», mahnte er das Publikum. Immerhin sei man bisher um eine Studiengebührenerhöhung herumgekommen. Diesbezüglich sieht auch Urs Würgler, der die aktuelle Debatte über mögliche Zulassungsbeschränkungen oder erhöhte Studiengebühren zwar aufmerksam verfolge, keinen «akuten Handlungsbedarf».

Will den Kantonsbeitrag an die Uni leicht erhöhen: Erziehungsdirektor Bernhard Pulver.

Rektor Würgler positionierte die Uni Bern klar

Auch von der Aufhebung von Fächern will Pulver nichts wissen: «Es wäre fatal, Fachbereiche nur aus Spargründen zu streichen.» Der Erziehungsdirektor betonte abermals den Gewinn, den die Volluniversität Bern standortpolitisch und volkswirtschaftlich bringe. Offenheit und Breite seien ein Teil des Erfolges der Uni Bern – gespickt mit einigen exzellenten Gebieten, die das Profil der Alma mater bernensis noch mehr schärften, wie die Uni Bern kürzlich bei der Vergabe der Nationalen Forschungsschwerpunkte gezeigt habe. Die klare Position der heutigen Universität Bern hat gemäss Pulver der amtierende Rektor Urs Würgler ständig vorangetrieben. Würgler habe strategische Schwerpunkte festgelegt, interdisziplinäre Zentren gegründet und den Leistungsauftrag des Kantons konsequent umgesetzt. Bernhard Pulver dankte Urs Würgler für seine Dienste. Ab August 2011 tritt die neue Unileitung um Martin Täuber ihre Arbeit an; die neu vier Vizerektorate besetzen Doris Wastl-Walter, Christian Leumann, Bruno Moretti und Walter Perrig. Die Aufstockung auf vier Vizerektorate begründet der Erziehungsdirektor mit den gestiegenen Anforderungen an die universitäre Leitung.

Sie will die Reform von der Bologna-Reform: SUB-Vertreterin Anna Leissing.

Die grossen Herausforderungen an die Studierenden

Vieles gut – aber (noch) nicht alles: Anna Leissing von der StudentInnenschaft der Universität Bern (SUB) brachte einige studentische Anliegen auf den Punkt. Die Bologna-Reform erschwere es aufgrund von Anwesenheitskontrollen und häufigen Leistungsüberprüfungen, das Studium und eine Erwerbstätigkeit unter einen Hut zu bringen. Unter dem gestopften Programm leide auch «die Qualität der Wissensaneignung». Leissing und die SUB plädieren deshalb für ausgewiesene Teilzeitstudiengänge. Eine klare Position vertritt die SUB-Vertreterin auch in Sachen Zulassungsbeschränkungen, die derzeit diskutiert werden: Ein offener Zugang zur Hochschulbildung sei ein ausschlaggebendes Qualitätsmerkmal eines funktionierenden Hochschulwesens. In die gleiche Stossrichtung geht ihre Aufforderung im Bereich der Gleichstellung: Während bei den Studierenden die Frauen inzwischen die Mehrheit bildeten, nehme der Frauenanteil mit jedem Tritt auf der akademischen Karriereleiter ab – von 43 Prozent bei den Assistierenden über 28 Prozent bei den Dozierenden zu nur 15 Prozent bei den Professorinnen. «Gleichstellungsmassnahmen sind deshalb nach wie vor von grosser Bedeutung», so Anna Leissing.

Nahm in der akademischen Rede mit dem Islam ein brennendes Thema auf: Islamwissenschafler Reinhard Schulze.

Islamische Theologie an der Uni?

«Der Islam und die Universität»: So lautete der Titel der Akademischen Rede von Reinhard Schulze vom Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie. Der Wissenschaftler sprach über die Aufgabe der Geisteswissenschaften, bestehende Diskussionen in der Gesellschaft in wissenschaftliche, kritische Arbeit zu verwandeln und so der Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, ihre Weltdeutungen, Normen und Werte auf Grundlage einer rationalen Wahrheitsannahme zu prüfen. Schulze regte eine akademische, islamische Theologie an, «ohne welche die Gefahr besteht, dass Laien, oft Konvertiten, die Meinungsführerschaft in den Gemeinden übernehmen und einen Islam predigen, der die Gemeinden von der Gesellschaft abkoppelt». Unter welcher Struktur die islamische Theologie in einer Universität anzusiedeln sei, liess der Islamwissenschaftler offen. Er stellte aber klar: Ohne eine solche Integration in die akademische Welt drohten die Gefahr einer Radikalisierung und «die Bildung intellektueller islamischer Ghettos».