Felix Frey über das Dilemma zwischen Lehre und Forschung
Die Berner Forschung sichtbar machen und Leitplanken für die Wissenschaft festlegen: Vier Jahre lang setzte sich Felix Frey als Vizerektor Forschung für die Uni Bern ein. Nun will der Klinikdirektor am Inselspital selber wieder forschen – ebenso Ski fahren und Klavier spielen.
Herr Frey, Sie waren vier Jahre lang Vizerektor Forschung an der Uni Bern, jetzt nicht mehr. Was fällt aus Ihrem Arbeitsalltag als Arzt und Forscher weg?
Sitzungen. Aktenstudien. Anfragen von Uni-Leuten. Das heisst etwa zwei Tage à acht Stunden pro Woche weniger und bedeutet wieder Zeit für andere Arbeit.
Es gab ja auch einiges zu tun: Sie übernahmen damals das gerade neue Zentrum für die universitäre Forschung. Mit welchem Ziel wurde es gegründet?
Es ging darum, für die drei Tätigkeitsbereiche der Uni – Ausbildung, Dienstleistung und Forschung – jeweils eine Organisation einzurichten. Ziel des Zentrums Forschung ist es nicht, inhaltlich Einfluss auf einzelne Forschungsprojekte zu nehmen, sondern Bereiche zu steuern, die alle Forschenden betreffen.
Welche?
Infrastrukturfragen. Kanalisieren von Anfragen von Externen an Berner Forschende. Erlassen allgemeiner Richtlinien für Qualitätsstandards. Beratung in Fundraising. Dokumentation der Berner Forschung gegenüber dem Kanton und dem Bund.
Blickt auf seine vier Jahre als Vizerektor an der Uni Bern zurück: Felix Frey. (Bild: Manu Friederich/AK)
Sie haben konkrete Werkzeuge geschaffen – etwa eine Forschungsdatenbank.
«Factscience» gibt uns einen Überblick, was von den einzelnen Fakultäten publiziert wird. Damit können wir einen Teil unserer Forschungstätigkeit für Politikerinnen und Politiker dokumentieren. Vor der Einführung von «Factscience» hatte zum Beispiel der Rektor bei einer Anfrage bezüglich Publikationstätigkeit der einzelnen Fakultäten nichts Konkretes in der Hand.
Weiter haben Sie den Forschenden unter die Arme gegriffen, welche sich für eine Teilnahme an EU-Forschungsprogrammen bewerben wollen.
Stimmt, denn lange Zeit flossen wenig Drittmittel von der EU nach Bern. Es wurde klar, dass sich die Forschenden aus administrativen Gründen zuwenig darum bemühten. Deshalb haben wir Beratungen für die speziellen Formalitäten der EU-Programme durchgeführt.
Und es gibt nun auch eine Fundraisingstelle.
Ja, eine neue Mitarbeiterin berät interessierte Private und Firmen, wie sie die Uni Bern am besten unterstützen können. Sie berät ebenfalls die Mitarbeitenden der Universität beim Fundraising. Diese Aktion ist im Jubiläumsjahr toll angelaufen.
Das klingt gut, die Forschung kostet aber Geld: Wie kommt eine Universität – neben kantonalen und Bundesgeldern – zu den nötigen Mitteln?
Ein Professor oder eine Professorin an der Uni Bern bringt jährlich mehrere 100‘000 Franken an Drittmitteln herein, die er oder sie selber akquiriert hat. In der Medizin, Veterinärmedizin und in den Naturwissenschaften sind es rund 500’000 pro Professur, in anderen Fakultäten etwas weniger. Gesamtschweizerisch sind die Berner Professorinnen und Professoren sehr erfolgreich im Akquirieren von Drittmitteln.
Dann stimmt ja die Kasse.
Trotzdem bekommen wir ein Problem: Da die Studierendenzahlen jährlich bis zu fünf Prozent zunehmen, brauchen die Professorinnen und Professoren immer mehr Kapazität für die Lehre und haben weniger Zeit für die Forschung und zum Einwerben von Drittmitteln.
Was ist zu tun?
Letztlich geht es um einen politischen Entscheid: Der Kanton muss sich entscheiden, wie viele Studierende er denn eigentlich haben will. Nimmt die Zahl weiter zu, dann müssen vermehrt Mittel zur Verfügung gestellt werden, sonst leidet die Qualität der Forschung. Mit zuvielen Studierenden stirbt die Forschung. Eine Universität ohne Forschung verliert aber ihre Identität, sie wird dann so etwas wie ein Langzeitgymnasium.
In gewissen Gebieten – etwa Klima und Weltraumforschung – ist ja die Uni Bern top. Auffällig ist der starke Auftritt der Medizin und Naturwissenschaften im Vergleich zu den Geisteswissenschaften.
Die Medizin und die Naturwissenschaften haben eine lange Tradition in der Ausbildung von Doktoranden und sind sehr erfolgreich im Einbringen von Drittmitteln. Der Zusammenhang ist klar: Die finanziellen Ressourcen erlauben es, Doktoranden anzustellen und diese generieren viele Forschungsresultate. Es ist aber ein grosses Bedürfnis aller Fakultäten, die Zahl der Doktoranden zu erhöhen, was sich etwa darin zeigt, dass neue Doktorandenschulen, sogenannte «Graduate Schools», gebildet werden.
Forschung wird oft an der Quantität der Publikationen gemessen – wie stellt das Zentrum die Qualität der Berner Forschung sicher?
Das können wir nicht – denn das braucht spezifische Fachkenntnisse, und das Zentrum Forschung müsste enorm viel Personal aus den verschiedensten Fachrichtungen anstellen. Die Beurteilung der Qualität haben wir deshalb an die Fakultäten delegiert. Allerdings ist das Einschätzen der Qualität immer ein schwieriges Unterfangen. Deshalb wird immer wieder versucht, die Qualität durch quantitative Messungen zu ersetzen. Die Quantifizierung stellt dann die Grundlage für eine Rangliste dar, die jedermann lesen kann, ohne dass er versteht, was eigentlich dahinter steckt.
Aber was ist nicht gut an einem solchen Ranking?
Das Ranking beinhaltet die Gefahr, dass sich die Forschenden nach den Kriterien, auf welchen das Ranking aufgebaut ist, orientieren. Sie fragen sich dann, welche Probleme muss ich angehen, um im Ranking gut da zu stehen? Dies ist eine ganz andere Ausgangslage als wenn sich der Forschende fragt, wo Unwissen besteht und wo brennende Probleme sind, die für die Gesellschaft oder die Umwelt gelöst werden müssen. Wird das Ranking für komplexe Institutionen – zum Beispiel für den Vergleich von Universitäten –, angewandt, dann greifen einfache Kriterien zur Bewertung eindeutig zu kurz.
Trotzdem scheinen sich die Rankingsysteme überall durchzusetzen. Das ist doch nicht nur schlecht?
Ich bin überzeugt, dass Rankingsysteme überall gefährlich sind, auch in der Wirtschaft und in der Politik; denn richtet man sich zu sehr nach Vorgaben von aussen, bleibt die notwendige Innovation auf der Strecke.
Blick in die Zukunft: Was brennt noch im Bereich Forschung an der Uni Bern?
Das Dilemma Studierendenzahlen versus Forschung muss gelöst werden. Weiter sollten die Fakultäten vermehrt zusammenarbeiten und Schwerpunkte bilden. Diese Schwerpunkte dürfen aber nicht in Stein gemeisselt sein. In diesem Zusammenhang sind die eingereichten Berner Projekte für nationale Forschungsschwerpunkte sehr vielversprechend: Fünf davon aus den Bereichen Physik, Chemie, Psychologie, Medizin und Sozialwissenschaften sind in der engeren Auswahl. Wenn Bern wiederum einen erhalten würde, wäre das ein grosser Erfolg.
Und weiter?
Es stellt sich die Frage, ob wir alle kostenintensiven Forschungsgebiete – etwa in den Naturwissenschaften – weiter tragen können. Allenfalls könnte eine Zusammenarbeit mit anderen Unis gesucht werden. Und als letzter, aber wichtiger Punkt: Wir haben sehr viele studierende Frauen. Diese scheiden aber im Verlauf einer akademischen Karriere häufig aus. Ein Grund dafür ist nach meiner Meinung ihre fehlende geografische Mobilität. Viele Forscherinnen bleiben – aus welchen Gründen auch immer – hier in der Schweiz. Ein Auslandaufenthalt ist aber für eine Forscherkarriere unabdingbar, denn es braucht neue Impulse von aussen.
Ihre Aufgabe als Vizerektor haben Sie beendet, was machen Sie nun?
Forschen natürlich! Ich habe Nationalfondsprojekte für die nächsten drei Jahre. Ich untersuche unter anderem den Mechanismus für den Bluthochdruck bei Menschen, die eine Niere gespendet haben oder die Bedeutung von DNA-Veränderungen, welche nicht angeboren sind für das Funktionieren der Niere. Zudem bin ich wieder mehr engagiert im Alltag der Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie.
Und sie haben mehr Freizeit.
Die Zeit als Vizerektor erweiterte meinen Horizont, und ich würde die Aufgabe wieder übernehmen. Aber tatsächlich geniesse ich es, wieder zu reiten, Ski zu fahren. Und – ich lerne Klavier spielen.
Zur Person
Felix Frey ist Direktor der Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie am Inselspital. Er war während vier Jahren Vizerektor Forschung an der Uni Bern. Felix Frey ist 1947 in Muri (AG) geboren und studierte bis 1975 in Freiburg und Bern Medizin. Er wurde Internist und forschte an der University of California in San Francisco. Frey habilitierte 1983 an der Universität Bern. Zuerst war er als nebenamtlicher, dann als vollamtlicher Professor für Innere Medizin am Inselspital tätig. Er war Präsident des Ärztekollegiums im Inselspital, Co-Direktor des Departements Innere Medizin und Vorsitzender des Departements DURN. In den Jahren 1999-2008 war Frey Mitglied des Forschungsrates des Schweizerischen Nationalfonds.