Der schnellste Zahnarzt aus Bern

Marc Lauenstein hat viele Talente: Er arbeitet als Zahnarzt, schreibt seine Doktorarbeit an der Uni Bern und treibt nebenbei auch noch erfolgreich Spitzensport. Dank viel Ehrgeiz, Fleiss – und einer Sportpsychologin.

Von David Fogal 04. Januar 2010

Marc Lauenstein hat es eilig. Doch diesmal rennt er nicht gegen die Uhr, sondern von Termin zu Termin. Er nutzt die saisonbedingte dreiwöchige Trainingspause, um Liegengebliebenes zu erledigen. Und das ist einiges. Der praktizierende Zahnarzt ist vielbeschäftigt und etwas ausgelaugt: «Die letzten Monate waren sehr anstrengend, nicht nur physisch.» Nach einer intensiven und guten Vorbereitung folgte ein ernüchternder 12. Rang an der Orientierungslauf-WM im August. «Ich war sehr enttäuscht», sagt Läufer Lauenstein nachdenklich. Niederlagen schmerzen den ehrgeizigen Sportler und beschäftigen ihn eine Weile.


15 Stunden beträgt alleine das Lauftraining pro Woche. Daneben schreibt Marc Lauenstein noch eine Dissertation. (Bilder: zvg)

Vom Regen in die Traufe

Doch knapp zwei Monate später sollte er einer seiner grössten Erfolge feiern: den Weltmeistertitel im Bergmarathon. Ein Wechselbad der Gefühle. Erklären kann Lauenstein diese Leistungssteigerung nicht. «Nach einer durchzogenen Saison wollte ich zum Abschluss einfach Spass haben und den Lauf geniessen», erzählt der 30-Jährige. Vielleicht, so seine Vermutung, sei genau dies sein Erfolgsrezept gewesen: Lockerheit und Unbekümmertheit. Auch im Gespräch gibt er sich entspannt. Er habe nach dem Titelgewinn eine gewisse Routine beim Umgang mit den Medien entwickelt, sagt Lauenstein augenzwinkernd. Und winkt sogleich ab: Er geniesse den Erfolg, stehe aber nicht so gerne im Rampenlicht. Auch nach dem Sieg bereitet sich der Sportler konzentriert auf die nächsten Wettkämpfe vor – «einfach wie immer.»

Grenzen überwinden…

Seit 12 Jahren betreibt Lauenstein Spitzensport – mit Erfolg. Hinter diesem steckt viel Fleiss und Disziplin. Nicht zuletzt, da er gleichzeitig sein Zahnmedizinstudium an der Uni Bern absolvierte und vor drei Jahren abschloss. Während dieser Zeit sei er an seine Grenzen gestossen, er habe lernen müssen, sich durchzubeissen und effizient zu sein. Zugleich sei die Uni-Zeit eine Bereicherung und tolle Erfahrung gewesen: «Das Studium gab mir Selbstvertrauen und die Fähigkeit, auch schwierige Situationen zu meistern», erläutert Lauenstein rückblickend. Auch in Zukunft bleibt er der Berner Alma Mater erhalten: Momentan schreibt er seine Dissertation über lokale Antibiotika bei der Behandlung von Zahnfleischentzündungen.

…mit Mentaltraining

Um sportliche Höchstleistungen zu vollbringen, reichen Disziplin und Fleiss jedoch nicht aus. Neben Talent ist die mentale Stärke von grosser Bedeutung. «Die absolute Konzentration ist entscheidend», erklärt der aufgeschlossene Sportler. Aus diesem Grund arbeitet er seit einigen Jahren mit einer Sportpsychologin zusammen. Neben der Analyse von Stärken und Schwächen, Motiven und Zielen entwickelten sie gemeinsam ein Drehbuch des Wettkampfes: Wichtige Schlüsselstellen vor und während des Wettkampfes wurden ausgearbeitet. Solche sind die Startphase – um in den «Flow» zu kommen, wie Lauenstein erklärt –, technisch heikle Posten, Gegnerkontakt und die Schlussphase, bei der die Läufer nur noch so schnell wie möglich ins Ziel gelangen wollen und dabei vernachlässigen, sich zu orientieren. Lauenstein verinnerlicht diese Schlüsselelemente: «Vor jedem Wettkampf gehe ich sie durch, um sie in heiklen Momenten abrufen zu können.» Ein unschätzbarer Vorteil. Dies habe ihm schon mehrmals «aus der Patsche» geholfen.


Ein Wechselbad der Gefühle: Im 2009 enttäuschte Lauenstein an der Orientierungslauf-WM, holte aber kurz darauf den Weltmeistertitel im Bergmarathon.

Verzichten zugunsten der Leidenschaft

Erfolgreich sein im Studium, bei der Arbeit und beim Sport bedeutet jedoch auch Opfer zu bringen. «Man muss lernen zu verzichten», so Lauenstein. Bei seinem vollen Terminkalender – alleine das Lauftraining umfasst um die 15 Stunden pro Woche – kommt vieles zu kurz. Seine grosse Stärke sei zugleich seine Schwäche, betont er: stets auf Achse zu sein, alles unter einen Hut bringen und alles zur selben Zeit anpacken zu wollen. Für seine Leidenschaft, das Laufen, sei er jedoch gerne bereit, auf einiges zu verzichten. Es sei einfach eine Frage der Prioritäten, sagt der schlaksige Sportler. Trotzdem gibt es Augenblicke – insbesondere nach Niederlagen –, in denen er vieles hinterfragt. Auch den Gedanken, alles hinzuschmeissen, hat er schon gehabt. Er sei jedoch leicht wieder zu motivieren: «Ein gutes Training und schon sind die trüben Gedanken verflogen», sagt er mit einem Lächeln. Noch drei Jahre will er dem Spitzensport erhalten bleiben. Danach will er sich anderen Zielen zuwenden: sich beruflich weiterentwickeln und mehr Zeit mit seinen Freunden verbringen.