An der Rhone kommt alles in Fluss

Bei Pfyn an der Rhone siedeln sich seltene Vögel an. Dass Flussregenpfeifer und Flussuferläufer heimkehren, ist gemäss Berner Biologen die Folge einer gezielten Flussrenaturierung, die Schule machen könnte: Sie schliesst eine gleichzeitige Nutzung der Rhone durch den Menschen nicht aus.

Von Bettina Jakob 06. Juli 2011

Die Rhone plätschert durch ihr breites Bett, über Kiesbänke hier, durch kleine Seitenarme dort, überschwemmt mal den Wald, zieht sich wieder zurück: Seit Mitte der 1990er Jahre wird der Walliser Fluss bei Pfyn stetig aus seinem Korsett befreit, welches ihm der Mensch mit Verbauungen geschnürt hatte. Das Besondere dieser Flussrenaturierung ist: Der Mensch kann die Rhone weiterhin uneingeschränkt nutzen, während sich gleichzeitig verdrängte Tiere und Pflanzen wieder ansiedeln. Eine «Win-win-Situation», wie nun eine Studie der Abteilung «Conservation Biology» an der Universität Bern dokumentiert. Die Ergebnisse der Berner Biologen wurden soeben im wissenschaftlichen Journal «Biological Conservation» publiziert.

Vergleichende Darstellung des Rhone-Verlaufs mit Fotos über die Jahre 1949, 1986 und 2006
Verlauf der Rhone bei Pfyn: Ohne Schranken bis 1949, danach Kanalisation bis 1986. Erst die Revitalisierung ab 1994 gab dem Fluss seinen gewundenen Lauf zurück. Bild: Zvg

Zurück zu den Pionierlandschaften

Die Arbeitsgruppe um den Biologen Raphaël Arlettaz erhielt von den Behörden des nationalen Strassenbaus den Auftrag, die Entwicklung der Rhonelandschaft im Raum Pfyn und den Zustand der lokalen Biodiversität quantitativ zu ermitteln. Mithilfe von Luftaufnahmen konnten die Wissenschaftler nun aufzeigen, wie sich die Vielfalt der Lebensräume – insbesondere Kiesbänke, Altarme, Weiden- und Sanddorngebüsche – in den letzten 40 Jahren verändert hat: Ende der 70er Jahre war die ökologische Verarmung des Flusses am grössten, da er konsequent verbaut wurde. Mit ersten Gegenmassnahmen ab 1994 wie etwa der Flussverbreiterung begannen sich die verlorenen Lebensräume und Nische wieder neu zu bilden. «Das Landschaftsmosaik ist inzwischen wieder so vielfältig wie vor über 30 Jahren», freut sich Pierre-Alain Oggier, zuständiger Ingenieur im Nationalstrassenbau und Co-Autor der Studie. Unter seiner Leitung hat das Schutzprojekt in den Pfyn-Auen Gestalt angenommen.

Seltene Vögel kehren zurück

Diese erfreuliche Entwicklung an der Rhone beobachten die Forschenden am Beispiel zweier in der Schweiz selten gewordener Vogelarten, dem Flussuferläufer und dem Flussregenpfeifer. Der Bestand des Flussuferläufers hat im Pfyngebiet gemäss Arlettaz in weniger als 15 Jahren um 83 Prozent zugenommen. Auch die Population des Flussregenpfeifers nehme zu, so der Biologe: «Damit beherbergt die Region um Pfyn heute einen Viertel aller Brutpaare des Flussuferläufers in der Schweiz sowie zehn Prozent aller Flussregenpfeifer unseres Landes», stellt Arlettaz fest. Das sei gerade deshalb bemerkenswert, da der Flussuferläufer überall sonst seltener werde.

Küken eines Flussregenpfeifers
Küken eines Flussregenpfeifers: Diese Vogelart legt ihre Eier direkt auf Kiesbänken ab. Bild: Pierre-Alain Oggier

Beide Vogelarten sind an Kiesbänke und Gebüschdickichte gebunden und sind dadurch Indikatoren für eine vielfältige Vegetation an Flussläufen, die wiederum neue Nischen für viele Tierarten sein kann. Die Bestandesdaten der beiden Watvögel von den 1970er Jahren bis zum heutigen Tag haben die Biologen mittels neuartiger Techniken, mit der so genannten «Bayesschen Statistik» analysiert. Daraus liess sich für beide Arten die Wahrscheinlichkeit eines Nachweises errechnen.

Ein Gewinn für alle

Die Studie zeigt gemäss Pierre-Alain Oggier exemplarisch, «dass sich ein erfolgreicher Naturschutz und ökonomische Interessen nicht zwingend ausschliessen müssen». Denn diese positiven Entwicklungen waren möglich, ohne dass die Baubranche die intensive Entnahme der Rhone-Sedimente im Pfyngebiet seit Beginn der Renaturierungsmassnahmen je einschränken musste. Voraussetzung für ein solches Gelingen sei aber «eine sorgfältige Planung der Flussnutzung und eine klare Absprache mit den Interessen des Biodiversitätsschutzes».

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