Auch die Senioren-WG kennt den Ämtli-Plan
Ein grosser Teil der Bevölkerung lebt heute alleine, darunter auch viele betagte Menschen. Welches sind alternative Formen des Zusammenlebens für ältere Generationen? Diese Frage wurde am Forum für Universität und Gesellschaft der Uni Bern diskutiert.
Noch vor nicht allzu langer Zeit war das gemeinsame Leben dreier Generationen unter einem Dach normal. Heute sind diese Wohnmodelle immer weniger in Gebrauch, viele Menschen leben alleine. In der Stadt Bern bewohnen rund 50 Prozent der Einwohner alleine eine Wohnung, in nur 20 Prozent der Haushalte gibt es Kinder. Das Forum für Universität und Gesellschaft (FUG) der Universität Bern führt eine öffentliche Veranstaltungsreihe zum Wandel der Generationenbeziehungen durch, welche von der demographischen Entwicklung zu einer immer älteren Gesellschaft herausgefordert werden. Am ersten Schwerpunkt der diesjährigen Reihe wurden kreative Wohnformen im Alter diskutiert. Denn gerade viele ältere Menschen leben heute alleine in ihren Wohnungen. Altersgerechtes Wohnen erfordert jedoch neben der hindernisfreien Gestaltung des Wohnraumes auch die Möglichkeit zu sozialen Kontakten und gegenseitigen Hilfeleistungen. Zwei ambitionierte Projekte weisen Wege in die Zukunft.
In der Senioren-WG unterstützt man sich gegenseitig
Aus privater Initiative entstand das Wohnkonzept Stürlerhaus: Als Senioren-WG leben im Berner Altenbergquartier zehn Menschen fortgeschrittenen Alters unter einem Dach. Sie alle sind Mitglieder einer Genossenschaft, die als Eigentümerin des unter Denkmalschutz stehenden Stürlerhaus waltet. «Die Gemeinschaft steht bei uns im Vordergrund. Toleranz und Akzeptanz sind uns deshalb sehr wichtig», erklärte Barbara Zohren, die über das Leben im Stürlerhaus referierte. Für die Bewohnerinnen und Bewohner gelten gleiche Rechte und Pflichten, Grundsätze vereinbaren sie basisdemokratisch. Anfallende Aufgaben werden von verschiedenen Arbeitsgruppen erledigt: Eine Gartengruppe pflegt den Umschwung, einige Bewohner sind für die Pflege der gemeinschaftlichen Küche verantwortlich während sich die Bau- und Technikgruppe um die Infrastruktur kümmert. Auch das Kulturelle kommt im Stürlerhaus nicht zu kurz: Gemeinsame Kino- oder Theterabende stehen auf dem Programm. So hilft man sich gegenseitige im Alter, ohne dass zu viele Probleme oder Langeweile aufkommen könnten.
Vom Baby bis zum Hochbetagten
«Unser Ziel ist es, die Demographie der Schweiz unter einem Dach abzubilden», erklärte Jürg Altwegg, Projektleiter des Mehrgenerationenhauses «Giesserei» in Winterthur. In der Giesserei entstehen derzeit auf fünf Stockwerken rund 160 Wohnungen, in denen in ein paar Jahren sämtliche Generationen vertreten sein sollen. «Die Siedlung soll als soziales Netzwerk funktionieren, in dem gegenseitige Unterstützung und ein lebendiger Austausch eine grosse Rolle spielen», präzisierte Altwegg. Bereits in der Planung wurde grosser Wert auf Begegnungszonen gelegt: Vorgesehen sind zwei Gemeinschaftssäle, eine Quartierbibliothek, eine Kindertagesstätte, mehrere Werkstätten sowie eine «Pantoffelbar» im Dachgeschoss, die für alle Bewohner bequem erreichbar sein wird. Alle Wohnungen sind hindernisfrei und per Lift zugänglich – eignen sich also gut auch für ältere Menschen. Modernste Kommunikationsmittel, wie etwa ein hauseigenes Intranet, werden Organisation und Austausch unter den Bewohnern erleichtern. So orientiert sich dieses zukunftsträchtige Projekt wieder an traditionellen Wohnformen, in denen verschiedene Generationen unter einem Dach lebten.
Initiativkraft ist entscheidend
Die Zukunft des Wohnens im Alter liegt in der Vielfalt: Die Möglichkeiten und Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren sind verschieden. Individuelle Lösungen sind deshalb der Optimalfall. Die diskutierten Exempel Stürlerhaus und Giesserei zeigen: Die Zukunft des Wohnens liegt für ältere Menschen in der Gemeinschaft. Ob nun eine oder mehrere Generationen unter einem Dach zusammenleben, ist dabei nicht ausschlaggebend. Die Beispiele zeigen aber auch, dass der Aufwand für individuelle Wohnformen sehr gross und Eigeninitiative nötig ist. In der Podiumsdiskussion wurde angeregt über die Kostenfrage debattiert, denn die präsentierten Lösungen haben ihren Preis. Vielen älteren Menschen würden die finanziellen Mittel und rechtzeitiges Engagement fehlen, um eine ideale Wohnlösung fürs Alter zu verwirklichen. Das Thema bewegt: Hier will das Forum für Universität und Gesellschaft Handlungs- und Forschungsbedarf skizzieren.