Auch Käfer können sozial sein

Die Larven putzen Nest, die Erwachsenen pflegen die Brut – auch Käfer teilen sich die Arbeit, wie wir es von Bienen und Ameisen kennen. Berner Verhaltensökologen ist es gelungen, beim «Kleinen Holzbohrer» kooperatives Verhalten nachzuweisen.

Von Bettina Jakob 04. Oktober 2011

Tolle Filmaufnahmen vom Innern eines Baumstammes zeigen Verblüffendes: Kleine Käfer und ihre Larven, die sich die Arbeit teilen und einander bei der Brutpflege helfen. Peter Biedermann und Michael Taborsky vom Institut für Ökologie und Evolution konnten nachweisen, was bislang nur vermutet wurde – nämlich dass nicht nur Bienen und Ameisen, sondern auch Käfer kooperatives Verhalten und spezialisierte Arbeitsteilung haben können. Die Resultate sind nun in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) publiziert.

Gemeinsame Brutpflege und Pilzzucht

Der beobachtete Käfer, der einheimische «Kleine Holzbohrer», lebt in Gangsystemen von abgestorbenem Holz. Ein Käferstaat entsteht wie folgt: Ein Weibchen besiedelt einen toten Baumstamm und verteilt dabei Sporen eines Ambrosiapilzes, von dem sich die Käfer ernähren. Jungkäfer entwickeln sich, Schwestern und Brüder verpaaren sich. Während die Brüder meist noch im Geburtsnest sterben, gründen die Schwestern später eigene Nester – aber erst bleiben sie im Nest und helfen bei der Brut- und Nestpflege sowie bei der Pilzzucht. Besonders interessant ist gemäss Biedermann, dass bereits die Larven Aufgaben übernehmen: Sie helfen vor allem bei der Nest-Hygiene mit. Dieses Verhalten ist bisher noch nie für solche Larven beschrieben worden, die sich mit ihrem wurmartigen Aussehen von den erwachsenen Insekten unterscheiden (siehe Film).

Verwandtenselektion macht kooperativ

Die Berner Verhaltensökologen Peter Biedermann und Michael Taborsky gehen davon aus, dass sich das soziale Verhalten beim «Kleinen Holzbohrer» mit der Verwandtenselektion erklären lässt – ähnlich wie bei anderen sozialen Insekten: «Je höher der Verwandtschaftsgrad, desto eher entsteht soziales Verhalten», so Biedermann. Beim «Kleinen Holzbohrer» spielen zwei Faktoren der Verwandtenselektion in die Hände: Einerseits die Inzucht und andererseits die geringen Erfolgschancen bei der Nestgründung. Die Inzucht erhöht die Verwandtschaft innerhalb einer Kolonie stark ¬– die Schwestern sind beinahe Klone und teilen einen Grossteil ihrer Gene, wie die Biologen erklären. Ausserdem sind die Aussichten auf eine eigene Kolonie für ein ausfliegendes Weibchen eher gering, zu viele Faktoren wie Feuchtigkeit und Verrottungsgrad des Holzes müssen für eine erfolgreiche Staatengründung stimmen.

Käfer auf einem Stück Holz
Brutkammer in einem Stück einer abgestorbenen Buche: Sichtbar sind fünf adulte Ambrosiakäfer (braun) und Dutzende von Larven. Bild: Peter Biedermann

Da alle Weibchen des «kleinen Holzkäfers» potentiell fruchtbar sind, stellen diese Käfer eine Zwischenstufe zwischen alleine lebenden und eusozialen Insekten wie Bienen oder Ameisen dar; letztere stellen immer nur eine einzige eierlegende Königin und neben ihr nur sterile Arbeiterinnen. «Am «Kleinen Holzbohrer» können wir die Evolution von Sozialverhalten bei Insekten ausgezeichnet untersuchen», sagt Peter Biedermann.

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