Das raue Klima der Zukunft
Neue Szenarien mit einem Berner Klimamodell zeichnen ein düsteres Bild: Um das 2-Grad-Ziel gegen die Erderwämung einzuhalten, müssen die CO2-Emissionen global praktisch gegen null sinken.
Die Erderwärmung soll langfristig auf nicht mehr als +2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Zeiten ansteigen – das ist das international deklarierte Ziel, um weitreichende Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu vermeiden. Dieses Ziel ist aber gefährdet, denn die durch die Menschen verursachten Kohlenstoffdioxid-Emissionen haben nämlich bereits 50 Prozent des Wertes erreicht, bei welchem die 2-Grad-Grenze noch eingehalten werden kann. Ein internationales Team mit dem Berner Klimatologen Gian-Kasper Plattner vom Physikalischen Institut der Universität Bern stellt nun aufgrund seiner neusten Resultate klar: Das 2-Grad-Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Kohlenstoffdioxid-Emissionen innerhalb der nächsten 20 Jahre zu fallen beginnen und mittelfristig gegen null tendieren. Das zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer neuen in «Nature Climate Change» publizierten Studie.

Ein Berner Modell rechnet hoch
Die Resultate basieren auf einem Klimamodell, welches vom renommierten Berner Klimaexperten Thomas Stocker mitentworfen und von Gian-Kasper Plattner und seinem Forscherkollegen Reto Knutti von der ETH Zürich massgeblich weiterentwickelt wurde. Mit dem sogenannten Bern 2D-Klimamodell konnten die Forschenden verschiedenste Szenarien der zukünftigen Entwicklung von Treibhausgas-Emissionen berücksichtigen – und schliesslich daraus die resultierende Klimaerwärmung modellieren. Diese hängt nicht zuletzt von der sogenannten Klimasensitivität ab – einer Grösse, welche angibt, wie stark die Erwärmung für eine bestimmte Treibhausgas-Konzentration ausfallen wird. In der neuen Studie untersuchten die Forschenden, um wieviel die Treibhausgas-Emissionen insgesamt reduziert werden sollten, wie rasch diese Reduktion vonstatten gehen müsste, und wie bald die Emissions-Reduktion beginnen müsste, um langfristig innerhalb des 2-Grad-Ziels zu bleiben.
Drei mögliche Szenarien für der Zukunft
Die Studie zeigt, dass unter Annahme der zurzeit als plausibelst geltenden Klimasensitivität das 2-Grad-Ziel auch mit einer langfristigen Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen um 90 Prozent nicht zu erreichen ist. «Dazu wären selbst bei raschem Handeln – bei mindestens einer 3-Prozent-Reduktion der Emissionen pro Jahr über die nächsten Jahrzehnte hinweg – stärkere Gesamtreduktionen der Emissionen, bis hin zum langfristigen Null-Ausstoss oder gar negativen Emissionen notwendig», stellt Plattner klar.
Bei einer Klimasensitivität am oberen Rand des wissenschaftlich plausiblen Unsicherheitsbereichs müssen die CO2-Emissionen in den nächsten 20 Jahren gar «zwingend global unter null gehen, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen», sagt Gian-Kasper Plattner. Dies setze aber den Einsatz von geeigneten Technologien wie etwa der Kohlenstoff-Abscheidung und -speicherung voraus. Nur damit könne gepaart mit einer starken Senkungsrate der CO2-Emissionen das 2-Grad-Ziel erreicht werden.
Selbst für den Fall einer tiefen Klimasensitivität kommen die Forschenden zu ähnlichen Resultaten: Zwar könnte etwas länger mit der Ausstoss-Reduktion zugewartet werden und die Senkungsraten etwas weniger hoch ausfallen. Doch letztlich müsste der globale Kohlenstoffdioxid-Ausstoss dennoch um mindestens 90 Prozent gegenüber heute reduziert werden, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten.
Wie sich die Länder positionieren
Diesen neuen wissenschaftlichen Resultaten stehen die erklärten Ziele zur CO2-Emissions-Reduktion der einzelnen Länder gegenüber: Die USA wollen bis 2020 rund 17 Prozent des Kohlenstoffdioxids reduzieren, die EU und die Schweiz haben sich 20 bis 30 Prozent zum Ziel gesetzt. Gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat sich die Schweiz im Rahmen des Kyoto-Protokolls international dazu verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2012 um mindestens 8 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Die neuesten Perspektiven des BAFU zeigen jedoch, dass dieses Ziel voraussichtlich nicht erreicht wird.