Die grüne Verantwortung
Jetzt – aber auch für die Zukunft: Die Forderung der Nachhaltigkeit stellt die Wirtschaft vor neue Aufgaben. Wie Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen können, wurde an einem Vortrag des Forums für Allgemeine Ökologie diskutiert.
Verschmutzte Umwelt, verschwenderischer Verbrauch von Ressourcen und grassierende Armut in verschiedenen Regionen der Welt: Die Verantwortung für eine nachhaltigere Wirtschaft wurde in der Vergangenheit weder national, noch global genügend wahrgenommen. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, dass die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden, ohne die Bedürfnisse kommender Generationen zu gefährden. Nachhaltigkeit antizipiert also die Zukunft. Im Jahr 2012 findet in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung, kurz Rio2012, statt. Ein Schwerpunkt der Konferenz wird die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft sein. Eine Vortragsreihe des Forums für Allgemeine Ökologie der Universität Bern zeigt verschiedene Herausforderungen von Rio2012 auf. Ein Ethiker und der Nachhaltigkeitsverantwortliche eines grossen Energiekonzerns debattierten über die Verantwortung der Wirtschaft für die Gesellschaft.

Forderung einer neuen Grundhaltung
«Ein Paradigmenwechsel muss her», ist der Wirtschaftsethiker Helmut Kaiser von der Uni Zürich überzeugt. «In unserer Gesellschaft zählt derzeit nur das Kapital», so Kaiser. «Kritische Fragen werden erst gestellt, wenn der Profit in Gefahr ist. Dabei ist die Natur schon lange in Gefahr, von Ökonomen werden deren Bedürfnisse aber kaum aufgenommen.» In der ethischen Perspektive von Helmut Kaiser ist zur Überwindung der globalen Probleme eine Neuordnung von Wirtschaft und Politik nötig. Er fordert eine «human-ökologische Wirtschaftsdemokratie» mit mehr Mitspracherechten in der Wirtschaft. Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Gesellschaft seien natürlich auch technische Innovationen hilfreich, Technik alleine könne jedoch nicht die Lösung sein. Kasier glaubt, dass nur eine neue Grundhaltung die Probleme der Gesellschaft lösen kann, die auch verzichten kann: «Fortschritt ist nicht Wirtschaftswachstum, sondern umfassende Lebensqualität.»

Nachhaltigkeit muss sich finanziell lohnen
Vergleichsweise zurückhaltend war der Vortrag von Lothar Rieth, der seit Anfang 2011 für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie in einem deutschen Energiekonzern verantwortlich ist: «Es ist ein langer Prozess, ein Unternehmen nach Grundsätzen der Nachhaltigkeit zu verändern», erklärt Rieth, der bis 2010 in der Forschung zu nachhaltiger Unternehmensführung tätig war. In der Wirtschaft ist er mit einer Reihe von Konflikten konfrontiert: «Einerseits sollen heute Unternehmen nachhaltig und umweltfreundlich sein. Andererseits muss ein Energiekonzern die Versorgungssicherheit der Bevölkerung garantieren können», schildert Rieth das Dilemma. Doch im Vergleich zu früher habe sich die veränderte gesellschaftliche Erwartungshaltung in vielen Unternehmen niedergeschlagen: «Es hat sich heutzutage ein Bewusstsein ausgebildet, einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden», so Rieth. Doch das Umdenken muss sich auch finanziell lohnen: «Man muss das Thema der Nachhaltigkeit aus der Gutmenschen-Nische herausholen und mit den finanziellen Aspekten eines Unternehmens in Einklang bringen.»

Nötigen Wandel bewusst machen
Die Meinungen über mögliche Wege in eine nachhaltige Zukunft gehen also auseinander: Das Vorgehen des Energieunternehmens ist zwar pragmatisch, jedoch sehr langwierig und Nachhaltigkeit scheint nur in kleinen Schritten erreichbar zu sein. «Diese kleinen Schritte sind nötig, aber sie verunmöglichen ein grundlegendes Umdenken und das Hinterfragen des Kapitalismus», bemängelt Kaiser. Doch die Antwort auf die Frage, wie genau der geforderte Paradigmenwechsel eingeleitet werden soll, bleibt auch der Wirtschaftsethiker schuldig. Im Hinblick auf Rio2012 ist aber vorderhand von Bedeutung, «dass in der Politik und in den Leitungen der Unternehmen ein Bewusstsein für die globalen Probleme und den nötigen Wandel entsteht», so Rieth.