Dies academicus 2011: Viel Erfolg trotz wenig Geld
Ein erfolgreiches Jahr für die Uni Bern: Eine neue Unileitung, neue Forschungszentren, mehr Studierende und internationales Renommee. Am 177. Dies academicus nahmen Unileitung und Regierungsrat aber auch zu finanziellen Knackpunkten Stellung.
Glitzernde Kronleuchter, traditionelle Talare, zwölf neue Ehrendoktorinnen und Ehrendoktoren aus aller Welt, viele renommierte Preise und ein festlicher Saal im Kulturcasino: Eine illustre Gästeschar aus Universität, Politik, Wirtschaft und Kultur fand sich zum 177. Dies academicus der Universität Bern ein – darunter auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Begleitung von Schriftsteller und Ehemann Lukas Hartmann.
Traditionell und feierlich: 177. Stiftungsfeier der Universität Bern. (Bilder: Manu Friederich).
Dem würdigen Rahmen entsprechend hob der neue Uni-Rektor Martin Täuber zu Beginn die Erfolge der Uni Bern hervor, die er in weiten Teilen alt Rektor Urs Würgler zuschrieb: Die Universität Bern sei gut in der Bildungslandschaft positioniert. Sie weise hohe Qualität in Forschung, Lehre und eine erfolgreiche Nachwuchsförderung auf, werde von prominenten Forschenden auf internationalem Niveau getragen und pflege einen engen Kontakt zur Region Bern mit ihren politischen, kulturellen und ökonomischen Institutionen. Die Studierendenzahlen steigen stetig, die Einwerbung von Drittmittel floriert und die Uni Bern beherbergt interdisziplinäre Forschungszentren auf den Gebieten Klima, Biologie, Medizintechnik, nachhaltige Entwicklung, Handelsregulation sowie Physik und Weltraum – und diese werden international stark wahrgenommen. «Es ist unverkennbar, dass die Fokussierung das Forschungsprofil der Universität markant verbessern konnte», sagte Martin Täuber.
Beehrte die Uni Bern am Dies academicus: Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Rektor Täuber über Erfolge und Geldprobleme
Der Weg der Uni Bern zeigt steil nach oben. «Dabei ist der Kantonsbeitrag kaum gewachsen», wies Martin Täuber auf problematischere Tatsachen hin. Die Gründung der Zentren war gemäss Täuber etwa nur durch interne Umlagerungen und eigens erworbene Drittmittel möglich gewesen. «Doch dieser Spielraum ist nun ausgeschöpft.» Selbstverständlich versuche die neue Unileitung die Forschenden zu unterstützen, wo sie könne: Etwa bei der bei der Administration für das Einwerben von finanziellen Zustüpfen. Sie hält die Wissenschaftler dazu an, ihre Projekte in Allianzen durchzuführen. Mit der Überarbeitung des Bolognasystems soll ausserdem der Mittelbau entlastet werden. Mit Evaluationen versucht die Unileitung Effizienz auf allen Ebenen herauszuarbeiten. «Doch die Universität muss aufgrund der Debatten im Grossen Rat in ihrer Planung auch Szenarien ohne Mittelzuwachs vorsehen», so der Rektor. Alle müssten für zugeteilte Ressourcen einen klaren Leistungsnachweis erbringen – im Gegenzug würde eine Umverteilung von Mitteln aber nur «begründet und massvoll» geschehen. «Die Uni Bern will ihr Niveau halten, ja ausbauen», so Rektor Martin Täuber. Dabei sei sie aber auf ein fortgesetztes Engagement des Kantons Bern angewiesen.
Begrüsste zum ersten Mal im Casino-Saal: Der neue Rektor Martin Täuber.
Bildungsdirektor Pulver erklärt die Finanzen
Bernhard Pulver nahm das brennende Thema nach kurzen Worten der Wertschätzung und Unabdingbarkeit der Universität als «Ort des freien Denkens» auf. Der Anteil des Kantons am Uni-Budget liegt derzeit bei 37 Prozent. Folge davon ist der schweizweit geringste Pro-Kopf-Beitrag an die Studierenden. Und jetzt noch die Erhöhung der Studiengebühren? Vom soeben verabschiedeten kantonalen Entlastungspaket 2012 sei natürlich auch die Bildung betroffen, so Regierungsrat Pulver. «Ich stand vor der Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder Studiengänge streichen oder die Studiengebühren erhöhen.» Fächerkürzungen könnten etwa aufgrund des Leistungsvertrags nur langfristig angegangen werden. Da eine Volluniversität aus standortpolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht wichtig für den Kanton sei, habe man sich für die Gebührenerhöhung entschieden. «Wenn die Studierenden monieren, dass sie die Zeche für tiefere Motorfahrzeugsteuern zahlen, haben sie leider nicht Unrecht», stellte Pulver klar – und wies darauf hin, die Abstimmung zu den Motorfahrzeugsteuern aufgrund eines formellen Fehlers wiederholt werden wird. Pulver mahnte, dass «Finanzpolitik eben auch Bildungspolitik ist».
Über Bildung und Finanzen sprach Regierungsrat Bernhard Pulver.
Der Mittelbau braucht Pflege
Über die Wichtigkeit des Mittelbaus, des «Stockwerks zwischen Professorenschaft und Studierenden», sprach Christina Rothen als Vorstandsvertreterin der Mittelbauvereinigung der Uni Bern (MVUB). Heute sind an der Uni Bern rund 2500 Forschende tätig, die den durch die in die Höhe geschnellten Studierendenzahlen und die Bologna-Reform gestiegenen Arbeitsanfall mitbewältigen. Für den Mittelbau seien gute Strukturen entscheidend, denn es sei zwar «ehrenvoll, an der Universität zu arbeiten, doch von der Ehre alleine konnte noch nie jemand leben», wies Rothen auf brennende Probleme hin: Die Arbeitsbelastung sei hoch, die Löhne niedrig. Die Vertragsfristen seien kurz, die Perspektiven ungewiss; zumal nur jeder Fünfte nach der Promotion an der Uni bleiben könne. Das Dissertationsverfahren sei nun geregelt, Regeln fehlten jedoch im Habilitationsverfahren: «Die Betroffenen sind oft von einzelnen Professoren abhängig und kaum vor Willkür und Ausnutzung geschützt», so Rothen. Man müsse dem Mittelbau die seinen Leistungen angepasste Stellung verschaffen: «Der Nachwuchs braucht Perspektiven, nicht nur Befristungen.»
Setzt sich für den Mittelbau ein: Christina Rothen von der Mittelbauvereinigung der Uni Bern.
Die Medizin von morgen
In seiner akademischen Rede schlug der neue Rektor Martin Täuber sinnigerweise die Brücke zwischen der Universität und seinem angestammten Tätigkeitsgebiet, der Medizin. Er beleuchtete sowohl Segen als auch Probleme, welche die hochmoderne Medizin der heutigen Gesellschaft bringt. Wie kann zum Beispiel das komplexe Gesundheitssystem technischen, ökonomischen, sozialen und politischen Herausforderungen gerecht werden? Wie können in der Antibiotikaforschung neue Erfolge erzielt werden? Durch den ungebremsten Einsatz von Antibiotika sind viele Resistenzen und damit heikle Probleme entstanden. Täuber wies auf das Potenzial der Medizin hin, diese Herausforderungen meistern zu können.
Zwölf Ehrendoktortitel und sieben akademische Preise: Applaus den Geehrten.
Die Meinung zu spezifischen Gebiete in der Medizin seien bislang zu einseitig von Interessensgruppen geprägt, meinte Täuber. «Was fehlt, ist ein akademisch-wissenschaftlicher Ansatz, der sich frei von spezifischen Interessen den komplexen Herausforderungen stellt.» Notwendig seien interdisziplinäre Ansätze, mit welchen sich mit verschiedenen Methoden aus den Sozialwissenschaften, der Ökonomie, den Geisteswissenschaften und natürlich der Medizin Lösungen erarbeiten lassen. «Unsere Universität hat gezeigt, dass sie multifaktorielle Systeme mit einem interdisziplinären Vorgehen untersuchen und damit international stark beachtete Resultate erzielen kann», betonte Rektor Täuber. Er illustrierte dies am Beispiel des Oeschgerzentrums für Klimaforschung, welches Ursachen und Konsequenzen der Klimaveränderung untersucht. Für Martin Täuber ist klar, «dass sich die Wissenschaft und damit die Universitäten mit Grenzen und Problemen der modernen Medizin auseinandersetzen müssen». Täuber appellierte an die Berner Forschenden, sich vermehrt im Diskurs über Medizin, Gesundheit und Gesellschaft zu engagieren.