Ein Berner Forscher sorgt für ruhig Blut
Und der Preis geht an Alexandre Theocharides: Der Hämatologe am Inselspital erhält den diesjährigen Forschungspreis des Departements Klinische Forschung (DKF) der Uni Bern. Er ist genetischen Veränderungen auf der Spur, welche Bluterkrankungen hervorrufen.
In fünf Litern Saft steckt das Leben. Das menschliche Blut mit Plasma, roten und weissen Blutkörperchen und Blutplättchen versorgt den menschlichen Körper mit Sauerstoff sowie Nährstoffen. Es bodigt Eindringlinge und verschliesst Wunden. Leckt dieses ausgeklügelte System, wird der Mensch krank. Alexandre Theocharides beschäftigt sich mit ganz besonderen Erkrankungen des Blutes – mit den sogenannten myeloproliferativen Neoplasien. Was kompliziert klingt, ist auch anspruchsvoll zu erforschen. Fehlprogrammierungen bei einem oder gar allen drei Blutzell-Typen führen zu diesen Erkrankungen: «Blutkörperchen oder Plättchen werden vermehrt gebildet und haben eine abnormale Funktion», sagt der Berner Hämatologe. Die Folge der Fehlbildungen der Blutzellen sind etwa Staus in den Blutbahnen, die zu Thrombosen und somit zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen können.
Hat nie mit dem Preis gerechnet, freut sich umso mehr: Alexandre Theocharides im Labor. (Bild:bj)
Der Arzt und Forscher sucht am Inselspital im Forschungslabor der Experimentellen Hämatologie nach den genetischen Veränderungen, die diesen vielfältigen Erkrankungen zugrunde liegen. Für seine Arbeit erhält der Jungforscher den diesjährigen Forschungspreis des Departements Klinische Forschung (DKF) der Universität Bern, der mit 30’000 Franken dotiert ist.
Typische Erkrankungen des Alters
«Die Neoplasien treten selten auf – viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie erkrankt sind», sagt Alexandre Theocharides. Gefunden würden die Fehlfunktionen des Blutes oftmals bei Routinekontrollen; die Erkrankungen sind im Gegensatz etwa zu akuten Leukämien meist chronisch. «Die Neoplasien sind typische Alterserkrankungen», erklärt der Hämatologe. Mit dem Alter schleichen sich bei der Bildung der Blutzellen im Knochenmark Fehler in die Gene ein. Die Forschenden vermuten, dass diese Gen-Veränderungen in den Blutstammzellen – also den Zellen, aus welchen sich alle Arten von Blutkörperchen oder Blutplättchen bilden können – die Auslöser der Neoplasien sind: Sind nämlich die genetischen Informationen der Ursprungszellen mutiert, schwimmen zum Schluss logischerweise auch abnormale Blutkörperchen durch die Gefässe.
Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Die kranken Stammzellen finden und ausschalten – «das ist das Ziel», betont Theocharides, aber der Weg dorthin ist verzwickt: Erstens weil die Blutstammzellen nicht sehr zahlreich und schwierig zu finden sind, und zweitens weil die Reifung der Blutkörperchen über mehrere Stufen läuft. «Und auf jeder dieser Differenzierungs-Stufen kann eine Veränderung des Gen-Codes geschehen», sagt der Wissenschaftler und zeichnet den Reifungsprozess der Blutzellen als weitverzweigten Baum auf ein Blatt Papier – an dessen Spitze steht eine Blutstammzelle und am Schluss das Blutkörperchen, das vom Knochenmark ins Blut entlassen wird.
Gesundes Blut mit gelbem Plasma und roten Blutkörperchen (links) – im Verlgeich dazu das Blut eines Patienten mit myeloproliferativer Neoplasie mit viel mehr Blutkörperchen und weniger Plasma (rechts). (Bild: Rolf Zimmermann/zvg)
Um die Fehlerquelle immer mehr einzukreisen, ist es wichtig zu wissen, auf welcher Entwicklungsstufe eine untersuchte Zelle steht und welche genetischen Veränderungen vorhanden sind. Der genaue Status verschafft den Forschenden einen Überblick der verschiedenen Stadien der Stammzellen, Vorläuferzellen und «fertigen» Blutzellen während der Blutbildung. Theocharides versucht, den Stand der Zellreifung klar nachzuweisen. Das gelingt, da die Oberfläche der Blutzellen in unterschiedlichem Reifestadium sehr spezifisch mit Eiweissen besetzt ist. Dazu gibt der Hämatologe Antikörper zu den Zellen, die an diese spezifischen Eiweisse der Zelloberfläche binden. Die Antikörper sind mit einem Färbemittel versehen, das durch Anregung mittels Laser zu leuchten beginnt. Das Leuchtmuster zeigt nun das Reifestadium der Zellen an – und sie können nun aufgetrennt und genetisch untersucht werden. Der Hämatologe kann dadurch das Aussehen des verzweigten Baumes der Blutzellreifung eines Erkrankten mit dem einer gesunden Person vergleichen.
Das Ziel sind gezielt wirkende Medikamente
Aufgrund dieser Daten sollen spezifische «Medikamente entwickelt werden, die ohne wesentliche Nebenwirkungen gezielt die kranken Stammzellen ausschaltet», hofft der 36-jährige Forscher. «Bisher weiss man nur sehr wenig über die Hierarchie der kranken Blutzellen im Knochenmark», so der Forscher. Es gibt viel zu tun, und die 30'000 Franken Preisgeld sollen wichtige Analysen finanzieren. Alexandre Theocharides hat «nie» damit gerechnet, diesen Preis zu erhalten. «Umso mehr freue ich mich darüber.» Sagts und schlüpft wieder ins Labor.
Zur Person
Alexandre Theocharides (36) arbeitet im Forschungslabor der Experimentellen Hämatologie am Universitätsspital Bern unter der Leitung von Prof. Dr. Gabriela Baerlocher sowie an der Uniklinik für Hämatologie und am Hämatologischen Zentrallabor unter Prof. Dr. Bernhard Lämmle. Nach der Ausbildung in Innerer Medizin am Kantonsspital Bruderholz (BL), Forschung und klinischer Weiterbildung in der Hämatolgie am Universitätsspital Basel forschte der gebürtige Basler drei Jahre an der University of Toronto in Kanada. Am Universitätsspital Bern findet Theocharides «die optimale Ergänzung zwischen Forschung, Diagnostik und Klinik».