Freiwillige gewinnen im Wahlkampf
Für einen erfolgreichen Wahlkampf brauchen politische Parteien neben den Kandidierenden zuverlässige Helferinnen und Helfer. Berner Wissenschaftlerinnen haben untersucht, wie diese Parteianhänger am besten für einen freiwilligen Einsatz zu gewinnen sind.
Bald lächeln sie von den Plakatwänden herunter: Die Politikerinnen und Politiker, die in den nationalen Wahlen im Oktober einen Sitz im Bundeshaus erobern wollen. Im Wahlkampf sind aber aus Sicht einer politischen Partei nicht nur die Kandidierenden gefragt, sondern auch Mitglieder und Sympathisantinnen, welche zum Beispiel an den Parteiständen mithelfen oder in ihrem Bekanntenkreis für die Partei werben. Wie sind diese Freiwilligen am besten zu mobilisieren? Welche Gründe sind ausschlaggebend für ihren Einsatz? Diese und weitere Fragen haben Stefanie Knocks, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern, und Marianne Fraefel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Public Management und E-Government der Berner Fachhochschule, am Beispiel der letzten kantonalen Wahlkämpfe in Bern, Aargau und Neuenburg untersucht. Ihr Projekt «Professionelle Freiwillige? Die Mitgliederkommunikation Schweizer Kantonalparteien in Wahlkämpfen» wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) unterstützt.
Persönliche Anfrage ein probates Mittel
Für ein Engagement im Wahlkampf haben sich die innere Überzeugung und die persönliche Anfrage als die wichtigsten Motivationen für die rund 1900 befragten Anhängerinnen und Anhänger erwiesen. Dies überrascht Knocks wenig, da eine Partei letztlich nichts anderes als ein Verein sei: «Die Mitglieder tragen die Organisation, sei es innerlich motiviert aus Pflichtgefühl oder äusserlich motiviert aufgrund der persönlichen Bitte», sagt sie. Diese persönliche Anfrage kann sich durchaus lohnen bei Anhängerinnen und Anhängern, die sich eigentlich nicht aktiv am Wahlkampf beteiligen wollen, weil sie keine Zeit haben oder ihre Unterstützung mittels Mitgliederbeitrag für bereits ausreichend halten. Knocks und Fraefel haben herausgefunden, dass rund ein Drittel dieser Parteimitglieder unter gewissen Umständen zu einem Engagement im Wahlkampf doch bereit wäre. Als einen dieser Gründe gibt jeder Zweite die persönliche Anfrage an. Einem Mitglied falle es schwerer, im persönlichen Gespräch abzusagen als auf einen allgemeinen Aufruf einfach nicht zu reagieren, erklärt Knocks.
Um bisher nicht aktive Parteimitglieder für ein Engagement zu gewinnen, muss dieses ausserdem zeitlich begrenzt und mit geringem Aufwand verbunden sein. Laut Fraefel ist zum Beispiel denkbar, vermehrt Wahlkampfmaterial online zu stellen, welches die Freiwilligen unkompliziert weiterleiten können. Geld spielt dagegen kaum eine Rolle: Von den Befragten, die sich möglicherweise doch freiwillig engagieren würden, liessen sich bloss vier Prozent durch die Aussicht auf finanzielle Entschädigung dazu bewegen.
Freiwillige aktiver als angenommen
Die Resultate der Untersuchung zeigen auch: Um den Freiwilligeneinsatz steht es in Wirklichkeit besser, als Gespräche mit einigen Wahlkampfverantwortlichen vermuten liessen, sagt Knocks. So war jedes vierte befragte Parteimitglied, das nicht für ein Amt kandidierte, im öffentlichen Strassenwahlkampf aktiv und hat Plakate aufgehängt oder Flyer verteilt. Diese Form des Wahlkampfs ist bei der SP und bei den Grünen verbreiteter als bei den anderen Parteien. Ihre Mitglieder beteiligen sich auch insgesamt zahlreicher an Wahlkämpfen als die Anhängerinnen der anderen Parteien: 80 Prozent der Anhänger der SP haben nach eigener Aussage bereits in irgendeiner Form an einem Wahlkampf mitgearbeitet, im Vergleich beispielsweise zur CVP mit 66 Prozent. Kantonal gesehen sind die Neuenburger Freiwilligen engagierter als die Berner und Aargauer, die umgekehrt deutlich mehr spenden.
Einen Beitrag für die Partei zu leisten, heisst aber nicht zwingend, dass damit ein grosser zeitlicher oder finanzieller Aufwand verbunden ist. «In erster Linie steht für die Wahlkampfverantwortlichen im Vordergrund, dass ihre Anhänger tatsächlich zur Wahl gehen und in ihrem Sinne stimmen», betont Knocks. Weiter sollen sie auch als «Dominosteine» fungieren, das heisst, in Familie und Freundeskreis die Diskussion über die Wahl anregen, was mehr als die Hälfte von ihnen dann auch tut.