Invasion der Exoten
Ob als niedliches Haustier, Gartenpflanze oder blinder Passagier: Über Jahrhunderte wurden unzählige Tiere und Pflanzen in Europa eingeführt. Einmal heimisch geworden, lassen sie sich oft nicht mehr kontrollieren. Der Ökologe Wolfgang Nentwig stellt 24 invasive Arten vor.
Vom exotischen Zierstrauch im heimischen Garten zur «Planta non grata», die sich unkontrolliert vermehrt und Fluss- und Bachläufe überwuchert: Der Japanknöterich ist eine invasive Art. Genau so wie der rote amerikanische Sumpfkrebs. Einst als Fleischlieferant in Europa angesiedelt, fiel das gepunktete Krustentier bald negativ als Überträger der Krebspest auf die europäischen Süsswasserkrebse auf. Der Sumpfkrebs selbst ist immun gegen die Pilzkrankheit und macht den einheimischen Arten den Lebensraum streitig.
Einer der Eindringlinge, die sich unkontrolliert vermehren: Das drüsige Springkraut. (Bild: Wolfgang Nentwig)
Der Japanknöterich und der rote amerikanische Sumpfkrebs sind zwei von 24 Eindringlingen, die im Buch «Unheimliche Eroberer – Invasive Pflanzen und Tiere in Europa» porträtiert werden. «Invasive Arten sind keine Bereicherung, sondern eine Bedrohung», sagt der Herausgeber des Buches, Wolfgang Nentwig. Er ist Professor für Synökologie und erforscht an der Universität Bern die Eindringlinge.
24 Porträts
In reich bebilderten 24 Kapiteln erklären Experten aus ganz Europa, wie die Exoten auf den Kontinent gelangt sind und wie sie bekämpft werden können. Am Anfang steht dabei fast immer der Mensch. Seitdem die ersten Tiere und Pflanzen Ende des 15. Jahrhunderts in den Frachträumen der europäischen Seefahrer aus allen Winkeln der Welt ihren Weg nach Europa fanden, wurden unzählige Arten durch menschliche Beihilfe eingeschleppt – ob freiwillig als Gartenschmuck, Nutz- und Haustier oder unabsichtlich als blinder Passagier im Flugzeug oder Schiff.
Auch die Kanadagans wurde einst eingeschleppt und verdrängt nun einheimische Vögel. (Bild: Sabrina Kumschick)
Einmal angekommen, machen einige der Tiere und Pflanzen ihren europäischen Verwandten das Leben schwer – sie sind hoch konkurrenzfähig und verdrängen die einheimischen Arten. Alle Ebenen der Ökosysteme seien davon betroffen, sagt Nentwig. Einige der invasiven Arten befallen als Schädlinge Getreide- oder Maispflanzen und auch der Mensch bleibt nicht verschont. Die asiatische Tigermücke beispielsweise überträgt Krankheiten.
Ameisen lassen sich nur schwer einfangen
Die zunehmende Mobilität und der weltweite Güterverkehr verschärfen das Problem zusätzlich. Doch es gibt auch Gegenmittel, erklärt Nentwig: «Grundsätzlich könnte jede Art auch wieder ausgerottet werden.» Bei grossen Wirbeltieren wie dem Halsbandsittich oder der Rotwangen-Schmuckschildkröte ist dies vergleichsweise einfach – sie können eingefangen oder gejagt werden. «Bei anderen Invasoren ist die Bekämpfung um einiges schwieriger», sagt der Biologe. Die argentinische Ameise beispielsweise, welche einheimische Ameisenarten zuerst direkt angreift und dann deren Nahrungsquellen besetzt, kann nicht einfach wieder eingesammelt werden. Mit genügend Interesse und Geld können aber auch Insekten und selbst Mikroorganismen effektiv bekämpft werden, sagt Nentwig und verweist auf die weltweite Ausrottung der Pocken und der Rinderpest.
Vorbeugen ist besser
Besser als aufwändige Bekämpfungsmassnahmen ist ohnehin die Prävention. Nentwig nennt mögliche Massnahmen wie etwa strikte Kontrollen und Quarantänestationen an Flughäfen und Grenzen oder eine Haftungspflicht für diejenigen Firmen und Personen, welche die blinden Passagiere mit ihrer Fracht mitschicken.