Käptn Kaufmann-Hayoz verlässt das Schiff

Sie hat die Forschung zu Umwelt und Ökologie an der Uni Bern massgeblich geprägt: Ruth Kaufmann-Hayoz von der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) hat sich in ihrer Abschiedsvorlesung an die rauen Wellen in den Nachhaltigkeitswissenschaften erinnert.

Von Bettina Jakob 18. Februar 2011

Das war doch etwas ungewöhnlich: Im Berufungsverfahren für die Professur für Allgemeine Ökologie an der Universität Bern referierte Ruth Kaufmann-Hayoz über die Gesichtserkennung von Frühgeborenen im Brutkasten. Die Psychologin hatte nämlich «die kühne These», wie sie in ihrer Abschiedsvorlesung kürzlich gestand, dass ein Frühchen im Brutkasten eine Art Modell für eine Mensch-Umwelt-Beziehung sei. Die Argumentation der Quereinsteigerin überzeugte und so wurde 1992 aus der Psychologin für Kleinkinder eine Ökologie-Professorin und damit die Geschäftsführerin der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ). Die Neubesetzung warf damals hohe Wellen, wie sich Kaufmann-Hayoz erinnert. Sie wurde «Bärner Gring der Woche» in der Berner Zeitung, und Meyers Modeblatt zeigte ein ganzseitiges Porträt der jungen Professorin. Nach beinahe 20-jähriger Forschung über Umweltbewusstsein und in Nachhaltigkeitswissenschaften zieht sich Kaufmann-Hayoz vom universitären Engagement zurück.

Ruth Kaufmann-Hayoz mit Blumenstrauss
Blumen für Ruth Kaufmann-Hayoz: Im proppenvollen grossen Hörsaal der UniS hielt sie ihre Abschiedsvorlesung. Bild: Zvg

Die besondere Stellung innerhalb der Uni

Aufregend ging es nach der Berufung gleich weiter, wie die emeritierte Professorin und passionierte Seglerin ihre zwei Jahrzehnte an der Uni Bern beschreibt, mal «waren die Wellen hoch», mal «die Manöver perfekt», mal mit «flotter Fahrt». Kaufmann-Hayoz erhielt 1992 ein «nagelneues Schiff» – erst 1987 war der Allgemeinen Ökologie ein erstes Projekt gewidmet worden, ein Jahr später hatte die Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie erste Lehrveranstaltungen organisiert – und segelte los: Sie baute das IKAÖ-Schiff erst einmal aus und positionierte die Koordinationsstelle, welche in der universitären Landschaft bis jetzt eine besondere Stelle einnahm; in absehbarer Zeit will die Unileitung nun die IKAÖ ins neu gegründete Interdisziplinäre Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) integrieren.

Das Angebot der IKAÖ stiess von Beginn weg quer durch alle Disziplinen auf grosses Interesse: Sechs Jahre nach der Berufung konnte Ruth Kaufmann-Hayoz dem 100. Absolventen das Diplom überreichen. Seither schliessen jährlich rund 30 Personen ihr Studium an der IKAÖ ab.

Die Psychologie der Ökologie

Ökologie, Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit – diese Themen erhielten sowohl an der Uni Bern als auch national immer mehr Gewicht. Das nationale Schwerpunktprogramm «Umwelt» gab in den 1990er Jahren einen «unglaublichen Schub», erinnert sich Kaufmann-Hayoz. Die Umweltforschung wurde gefördert, umweltverantwortliches Handeln war in aller Munde. Doch die Mensch-Umwelt-Beziehung läuft nicht reibungslos, wie Psychologin Ruth Kaufmann-Hayoz bestens weiss: Oft handelt der Mensch nicht ökologisch, obwohl er eigentlich einsichtig ist und weiss, wie er sich verhalten sollte. «Menschen und die Gesellschaft sind komplexe, nicht definierte Strukturen», erklärt sie. So konnte ihre Forschung nicht immer eindeutige Resultate und damit handfeste Empfehlungen an die Politik und die Wirtschaft liefern, wo man die Hebel für nachhaltigeres Handeln denn ansetzen sollte. Man habe klar machen müssen, dass es nicht einfach einen archimedischen Punkt gebe, von dem aus «man die Welt aus den Angeln heben könne», so Kaufmann-Hayoz.

«NewRide» als praktische Innovation

Schritt für Schritt analysieren die Ökologinnen und Forscher die Mensch-Umwelt-Beziehung weiter – auf lokaler und regionaler Ebene, in der Bildung und Nachhaltigen Entwicklung. Auf dem Gebiet der Inter- und Transdisziplinarität entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Grundlagen für Forschungsverbünde. Die hautnahe Praxis geht darob nicht vergessen, und so standen Studentinnen und Studenten auch mal in einem Fluss und bestimmten Wassertiere und damit den ökologischen Zustand des Gewässers. Auch im Bereich der technischen Innovationen ist die IKAÖ tätig, mit dem Programm «NewRide» fördern Kantone und Gemeinden den Einsatz von energieeffizienten Fahrzeugen. Ausserdem strampelt die Schweiz heute auf den Rädern eines ehemaligen IKAÖ-Forschungsassistenten, der mit Kollegen in der freien Zeit tüftelte, ihre Kilometer ab: Aus ihrer Werkstatt stammt das Elektrovelo «Flyer».

«Vom peripheren Anhängsel» mauserte sich die Allgemeine Ökologie über die letzten 20 Jahre zum «unbestritttenen Profilierungsthema», stellte Kaufmann-Hayoz schliesslich fest – was sie in folgender Anekdote ausdrückt: Anfänglich wurden der Koordinationsstelle kleine Räume weitab der Uni zur Verfügung gestellt. Irgendwann rückte sie in die Länggasse zum Falkenplatz vor, um dann in den Neubau der UniS zu ziehen. «Immer näher zum Zentrum», wie die emeritierte Professorin zufrieden feststellt.

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