Narzissten sind schwieriger in der Liebe

Sie vergeben weniger, reagieren beleidigter: Berner Forschende zeigen, dass sich Narzissten in Beziehungen destruktiver verhalten als weniger ichbezogene Menschen. Wenn jedoch bei männlichen Narzissten mehr Verbindlichkeit geschaffen wird, hat dies mehr Zufriedenheit in der Partnerschaft zur Folge.

Von Bettina Jakob 19. Januar 2011

«Wenn ich über die Welt herrschen würde, hätten wir eine bessere Welt.» Narzissten haben ein grandioses Selbstkonzept, wie diese Aussage aus einem wissenschaftlichen Inventar zur narzisstischen Persönlichkeit zeigt. Dies bestätigt Loredana Torchetti, Psychologin an der Universität Bern: «Sie glauben, sie seien schlicht einzigartig, stellen sich über andere Menschen, haben wenig Empathie fürs Gegenüber – brauchen aber gleichzeitig viel Bestätigung.» Dass solche Charaktermerkmale Sprengstoff in Liebesbeziehungen sein können, liegt auf der Hand. Im Rahmen eines Nationalfondsprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Carolyn Morf zur Persönlichkeitspsychologie und Selbstregulation untersucht Torchetti die Beziehungsdynamik von narzisstischen Personen. Morf und Torchetti stellten die Frage, ob sich Narzissten erwartungsgemäss in einer Partnerschaft ungünstig verhalten – und ob allenfalls ihr Verhalten korrigiert werden kann. Das Resultat: Ja, sie verhalten sich bei Konflikten eher destruktiv – aber möglicherweise lässt sich die Situation entschärfen.

Vogel schaut sich im Spiegel an
Spieglein, Spieglein an der Wand: Narzissten brauchen viel Bestätigung – natürlich auch in einer Beziehung. Bild: istock

76 Paare unter die Lupe genommen

Narzisstische Menschen sind unverbindlicher, untreuer, sie können sich nicht auf eine Beziehung festlegen und halten stets die Augen offen für attraktive Alternativen: «Sie lassen ihre Partner oft im Unklaren», so Torchetti. Status und Nutzen, den sie aus einer Verbindung ziehen können, komme für sie offenbar vor der Liebe. «Narzissten brauchen nicht so viel Nähe und Intimität wie nicht-narzisstische Personen», erklärt Loredana Torchetti. Die Daten von 76 Paaren wurden untersucht, welche bereits längere Zeit zusammen sind. Ziel war es herauszufinden, wie viel die beiden Partner für die Aufrechterhaltung der Beziehung tun – etwa wie geschickt sie sich in Konfliktsituationen verhalten, wie vergebend und opferbereit sie sind.

Der Blick hinter den überhöhten Selbstwert

Mittels Fragebogen-Analyse haben Morf und Torchetti herausgefunden, dass Narzissten ihre Beziehungen zwar als gut einstufen. «Ein zweiter Blick auf die Selbsteinschätzung zeigt aber die Schattenseiten der ichbezogenen Personen deutlich auf», so Psychologin Torchetti. Da Narzissten häufig von einem überhöhten Selbstwert berichten, muss der Befund vor diesem Hintergrund relativiert werden. Berücksichtigt man diese verzerrte Wahrnehmung in den Analysen, so verschwinden die positiven Einschätzungen der narzisstischen Personen und destruktive Verhaltensweisen werden entlarvt.

Wie werden Narzissten verbindlicher?

Allerdings stellten die Forscherinnen fest, dass männliche Narzissten, die über ein hohes «Commitment» – also Verbindlichkeit zur Partnerin – verfügen, zufriedener in der Beziehung sind und sich kooperativer verhalten als Narzissten, die weniger verbindlich sind. Vom konstruktiveren Auftritt profitieren schliesslich auch die Partnerinnen, die ihrerseits glücklicher sind. Wie kann man denn das «Commitment» beim männlichen Narzissten steigern und indirekt die Beziehung beeinflussen? «Werden bei den Betroffenen Bereiche, die für das Fundament einer Partnerschaft wichtig sind, aktiviert, kann die Beziehungsdynamik verbessert werden», stellt Torchetti fest.

Wie in einer Studie einer anderen Forschungsgruppe gezeigt wurde, wächst bei Narzissten das «Ja» zur Beziehung, wenn es gelingt, bei ihnen etwa das Gefühl der Nähe, das für sie nicht so ein grosses Bedürfnis ist, hervorzurufen. Experimentell wurde dies etwa mittels subliminalem Priming festgestellt: Den Probanden wurden auf einem Bildschirm einige Millisekunden lang Bilder von Menschen gezeigt, die sich Nähe schenken oder Mitgefühl ausdrücken. Die nur unbewusst registrierten Darstellungen aktivieren im Gehirn der Narzissten bestimmte Verknüpfungen, was schliesslich ein erhöhtes Commitment zur Folge hat. Dies wiederum birgt das Potential für eine Verhaltensänderung.

Kein Effekt bei ichbezogenen Frauen

Bei narzisstischen Frauen konnte jedoch bei einem hohen «Commitment» keine höhere Zufriedenheit in der Beziehung – folglich auch kein konstruktiveres Verhalten – gefunden werden. Die Hintergründe dieses Befunds sind den Berner Forscherinnen «noch unklar», so Torchetti. In weiteren Studien sollen diese beleuchtet – und Ansätze gefunden werden, die bei narzisstischen Frauen hilfreich sind.

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