Nicht alle taugen zum Verwaltungsrat
An der Schweizerischen Bankrechtstagung des Instituts für Bankrecht gingen die Meinungen über das Anforderungsprofil eines Verwaltungsrats auseinander. Einig waren sich die Teilnehmenden dagegen über die Rolle der staatlichen Aufsichtsbehörden: Sie sollen so wenig wie möglich eingreifen.
Die Finanzkrise warf einige Fragen auf – die Diskussion über neue Vorschriften für die Führung und Überwachung von Unternehmen rückte in den Fokus der Öffentlichkeit. Zusammen mit dieser so genannten Corporate Governance geriet auch das Verhalten des Verwaltungsrats (VR) einiger Firmen und Banken ins Kreuzfeuer der Kritik. Welche Anforderungen die VR-Mitglieder nun erfüllen sollen, und ob und wie der Bund diesen Bereich regulieren könnte – dies waren die Themen der Podiumsdiskussion, die das Institut für Bankrecht der Uni Bern im Rahmen der diesjährigen Schweizerischen Bankrechtstagung organisierte.
«Gute Corporate Governance beginnt beim Verwaltungsrat», hielt Susan Emmenegger, Direktorin des Instituts für Bankrecht, fest. Sie stellte mögliche Massnahmen zur Regulierung vor. Diese reichten von Frauenquoten – von den rund 1'100 Sitzen in Bank-Verwaltungsräten sind bloss 86 mit Frauen besetzt – bis zu einer Begrenzung der VR-Mandate. Auch seien Assessments durch die eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) denkbar, um über die Eignung von Verwaltungsräten zu entscheiden, statt wie bis anhin allein aufgrund der eingereichten Lebensläufe und Zeugnisse. «Theoretisch müsste dann der ganze Verwaltungsrat zum Assessment antraben, denn er muss als ganzes Gremium für seine Aufgabe qualifiziert sein», gab Emmenegger jedoch zu bedenken.

Einzelsport oder Teamwettkampf
In einem Rundschreiben an die Banken definiert die Finma Fachkenntnis, Erfahrung, Unabhängigkeit und zeitliche Verfügbarkeit als vier grundlegende Eigenschaften eines jeden VR-Mitglieds. Peter Forstmoser, emeritierter Professor an der Universität Zürich und Partner der Anwaltskanzlei Niederer Kraft & Frey, stimmte dem unter der Bedingung zu, dass die vier Anforderungen nicht bei der Einzelperson, sondern im Gremium als Ganzes vertreten sein müssen. «Hingegen muss das einzelne Mitglied in irgendeinem Bereich eine Fachkompetenz mitbringen, in der es den Geschäftsleitungsmitgliedern ebenbürtig ist», forderte Forstmoser. Dann werde die Person als «spezialisierte Generalistin» auch ernst genommen.
Im Gegensatz dazu sind die vier Anforderungen für Walter Knabenhans, VR-Präsident der Bellevue Group, sowohl einzeln als auch kumulativ im Gesamt-Verwaltungsrat unabdingbar für jedes VR-Mitglied. «Weiter muss ein gesellschaftliches und moralisches Verantwortungsbewusstsein vorhanden sein», ergänzte er. Ein sorgfältiger Auswahlprozess, unter anderem unter Einbezug des Umfelds der Kandidatin oder des Kandidaten, würde sicherstellen, dass die VR-Mitglieder über das nötige Profil verfügen.
Einheitliche Prüfung nicht gefragt
Moderator Roland von Büren, emeritierter Professor an der Universität Bern und Konsulent bei Walder Wyss, stellte die Frage auf, inwieweit die Finma zum Beispiel die zeitliche Verfügbarkeit der VR-Mitglieder oder die Zusammensetzung des Gremiums mittels Frauenquoten vorschreiben könnte. Vizepräsident Daniel Zuberbühler lehnte diesen Vorschlag energisch ab: «Eine starre Universalregelung kann nicht Sache der Aufsichtsbehörde sein.» Er plädierte stattdessen für einen besseren Informationsfluss innerhalb der Firma von den unteren zu den oberen Hierarchiestufen, denn ohne verfügbare Informationen würden kritische Fragen verunmöglicht. Diese Kritikkultur im Verwaltungsrat dann überprüfen zu wollen, zum Beispiel mit einem hypothetischen Seminarfall, mute aber absurd an: «Vor der Krise hätten alle UBS-Verwaltungsräte diese Prüfung bestanden.»
Auf die Finger schauen
Bei einer externen Überprüfung laste eine grosse Verantwortung auf der Aufsichtsbehörde, meinte Jean-Pierrre Roth, VR-Präsident der Genfer Kantonalbank und ehemaliger Direktor der Schweizer Nationalbank. «Es wäre gefährlich, wenn die Finma ein Unternehmen als gut einstuft, welches sich im Nachhinein als schlecht herausstellt.» Er erinnerte daran, dass der Verwaltungsrat letztlich immer noch von den Aktionären selbst beaufsichtigt werde. Aus demselben Grund sprach er sich gegen jährliche Selbstevaluationen aus: «Von den Leuten Selbstkritik zu verlangen, ist schwierig.» Dies hält Walter Knabenhans hingegen für das effektivste Mittel, räumte aber gleichzeitig ein: «Alle diese Verfahren haben den Charakter eines Schnappschusses.»
Im Clinch mit verschiedenen Interessen
Noch heikler als Selbstevaluationen sind Interessenkonflikte zu handhaben, in welche VR-Mitglieder durch den Einsitz in Verwaltungsräten von verschiedenen Unternehmen geraten können. Dennoch wollte Daniel Zuberbühler von einer weitergehenden Regulierung als die heutige Treue- und Sorgfaltspflicht nichts wissen. «Ein Verwaltungsrat ist eben kein Gremium von Eunuchen», meinte er. «Wer sich auf dem Markt bewegt, befleckt sich nun mal auch, Erfahrung und Sachverstand in Reinkultur sind unmöglich.»