Slammen um den pinkfarbenen Hirsch

Zum zweiten Mal präsentierten Berner Nachwuchswissenschaftler ihre Forschung auf der Bühne. Sechs Science-Slammer traten an, den bereits zur Tradition gewordenen Hirsch – dieses Mal in pink – zu erobern. Mit möglichst originellen Vorträgen stellten sie ihr Fachgebiet im ausverkauften Schlachthaus vor.

Von Martina Bisculm 19. Mai 2011

Synaptogenese und Kryoelektrogenese: Als erster Slammer erklärte der Belgier Dimitri Vanhecke vom Institut für Anatomie auf dem neuesten technischen Stand, in «3D und HD», was es braucht, um denken zu können. Das Publikum goutierte seinen Vortrag mit 52 von 70 möglichen Punkten – dieses Resultat sollte im Verlauf des Abends beinahe unerreicht bleiben. Als zweiter stieg Adrain Suter ins Rennen. Der Assistent am Departement für Christkatholische Theologie und ehemalige Pfarrer in St. Gallen zeigte, dass das Adjektiv «wahr» sehr wohl steigerungsfähig ist – zumindest in der Kirchengeschichte. Eine etwas ausgefallenere Präsentation wagte Psychologin Mara Kottlow: Als Dirigentin der Gehirnzellen betrat sie die Bühne und gab ein paar Einblicke in das Geheimnis der bewussten Wahrnehmung.

Zufallsjury

Chemieingenieur Wolfgang Riedl slammte darüber, was einem beim Joggen so alles einfallen kann – zum Beispiel die Klimamembran für Sportbekleidung und wo diese sonst noch so eingesetzt werden kann. Wie seine beiden Vorgänger kam er aber nicht an Dimitri Vanheckes Punktestand heran. Sieben zufällig ausgewählte Zuschauer, die mit Punkteblättern von eins bis zehn ausgestattet worden waren und als Jury fungierten, gaben ihm aber immerhin das zweitbeste Resultat.


Alle wollten den zweiten Science-Slam sehen. Moderator Mr. Spacefreak vor dem ausverkauften Schlachthaus-Theater. (Bild: Philipp Zinniker)

Rickenbacher vs. Rickenbacher

Mr. Spacefreak alias Hoschi, der als Master of Ceremony im extravaganten Outfit durch den Abend führte, kündigte nach der Pause einen speziellen Beitrag an: Weil zwei der drei eingeladenen und ausser Konkurrenz startenden «richtigen» Poetry-Slammer in letzter Minute «wohl aufgrund ihrer Eierstöcke und Nebenhoden» von einer Teilnahme abgehalten worden waren, trat der letzte Verbliebene kurzerhand gegen sich selbst an: Der Germanistikstudent und ehemalige U30-Poetry-Slam-Vize-Schweizermeister Remo Rickenbacher slammte zunächst pointenreich zum Thema Nachhaltigkeit – oder warum man das Sterben besser auf später verschiebt – und hatte sich fest vorgenommen, sich beim zweiten Beitrag noch zu steigern. Entgegen seinem ausdrücklichen Wunsch bewertete das Publikum seinen ersten Beitrag dennoch höher als den zweiten zum Thema Frauen-Kennenlernen – Rickenbachers Sieg gegen sich selbst war notabene nie in Gefahr.


Die Slammer: Wolfgang Riedl, Daniel R. Müller, David Haberthür, Adrian Suter, Dimitri Vanhecke, Remo Rickenbacher und Mara Kottlow (von links). (Bild: Philipp Zinniker)

Trommelstöcke und Rattenbabys

Nach dieser Unterbrechung liess der Kommunikationsstrategie-Wissenschaftler Daniel R. Müller das Publikum den Rhythmus fühlen statt die Ordnung erkennen. Nur wenn eine gewisse akkustische Ordnung erkennbar ist, diese aber genügend Abwechslung bietet und Erwartungen nicht immer erfüllt, dann spüren Menschen den Rhythmus, erklärte der gebürtige Deutsche. Eindrücklich demonstrierte er seine These gleich live mit magischen elektronischen Trommelstöcken. Das gefiel dem Publikum: Müller übernahm mit 56 Punkten die Führung.

Als Letzter trat der Physiker und frühere Velokurier-Schweizermeister David Haberthür an und machte es spannend. Wie er mit einem Mega-Mikroskop in die Mini-Lungen von Baby-Ratten schaut, konnte das Publikum aber nicht zu den für den Sieg nötigen 57 Punkten hinreissen – da und dort war gar ein mitleidiges «och» für die kleinen Ratten zu hören. Sieger blieb Rhythmusforscher Daniel R. Müller. Er nahm den Hirsch und einen NZZ-Am-Sonntag-Gutschein mit nach Hause. Die obligate Whiskeyflasche ging an den Slammer Remo Rickenbacher.


Diplom-Designer Daniel R. Müller nahm Hirsch und Gutschein mit nach Hause. (Bild: Philipp Zinniker)

 

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