Rektor Urs Würgler: Ein gewiefter Stratege tritt zurück
Nach 15 Jahren in der Universitätsleitung, davon sechs als Rektor, tritt er Ende Juli zurück: Urs Würgler, Mathematiker, Jäger, Stratege und Kämpfer für die Anliegen der Uni Bern.
uniaktuell: Ihre Zeit als Rektor – wie kann man sie zusammenfassen? Mit der Überschrift «Schärfung der Strategie der Uni Bern»?
Urs Würgler: Das Wort «Strategie» hat an der Universität eine lange Geschichte. Vor vielen Jahren haben wir im Vier-Jahres-Rhythmus so genannte strategische Planungen erstellt, die sich in Hunderten von Papierseiten erschöpft haben. Dann ist man wieder zur Tagesordnung übergegangen. In diesem Sinne lag eine Strategie, die es zu schärfen gegeben hätte, gar nicht vor.
Man musste also zunächst eine Strategie entwerfen.
Ja. Wir haben versucht, eine Strategie, die umsetzbar ist – auch in finanzieller Hinsicht –, zu realisieren. Dieses Vorhaben war komplex, weil wir es von Beginn an mit der Mehrjahresplanung und einem neu konzipierten internen Steuerungssystem verbunden haben. Dies alles zusammen ergab schliesslich die «Strategie 2012», also ein neues «Produkt». Die Strategiebildung habe ich als meine wichtigste Aufgabe betrachtet.
Immer mit Blick in die Zukunft: Uni-Rektor Urs Würgler (Bilder: AK)
Die Strategie 2012 steht auf mehreren Beinen. Eines heisst «Volluniversität». Taugt dieses Bein für die Zukunft?
Die Uni Bern ist eine Volluniversität, die in allen grossen Wissenschaftsgebieten tätig ist, mit Ausnahme der Ingenieurwissenschaften. Das wird schon im Leitbild so festgehalten und wurde von uns für die Strategie übernommen. Meiner Meinung nach ist der Begriff tauglich und wir sollten eine Volluniversität bleiben.
Ein anderes Bein heisst «Profilierungsbereiche». Hier wurden vor allem spezialisierte Zentren gegründet. Ist die strategische Absicht, damit das Forschungsprofil zu stärken, erfolgreich?
Davon bin ich überzeugt. Es ist zwar noch nicht so lange her, dass wir dieses Instrument in die Wege geleitet haben. Aber die bisherige Entwicklung gibt uns Recht. Mit den Zentren verfolgen wir die Absicht, spezialisierte Einrichtungen zu schaffen, die durch höchste Qualität und gesellschaftlich relevante Themenfelder auffallen. Sie sollen der Uni zu einem Profil verhelfen, das in einem weiteren Schritt auch besser kommuniziert werden kann.
Die Naturwissenschaften sind bei den realisierten Zentren stark vertreten. Droht hier nicht eine Spannung zum Bekenntnis zur Volluniversität?
Da muss man sehr genau hinsehen. Die administrative Zuordnung zu einer Fakultät ist das eine, die inhaltliche und interdisziplinäre Zusammenarbeit das andere. Am Oeschger Zentrum für Klimaforschung zum Beispiel sind drei Fakultäten beteiligt. Viele Zentren gründen auf interdisziplinärer Zusammenarbeit, was gerade dank unserer Volluniversität möglich ist.
Das dritte Bein der Strategie 2012 ist der Anspruch, drittes universitäres Zentrum der Schweiz zu sein. Sind wir das?
Wir haben nie den Anspruch erhoben, die Universität Bern sei das dritte universitäre Zentrum. Vielmehr braucht es im Mitteland ein konkurrenzfähiges drittes universitäres Zentrum, in dem die Uni Bern die Führungsposition einnehmen will. Das ist heute so.
Die Uni Bern ist gemäss Rektor Würgler auf den richtigen Zug aufgestiegen.
Der Anteil des kantonalen Budgets an den gesamten universitären Ausgaben ist 2010 auf 37 Prozent gesunken. Der Trägerkanton ist der grösste Minderheitsvertreter geworden.
Wir haben hier ein echtes Problem. Der kantonale Anteil am universitären Budget sinkt, zwei Drittel unserer Einnahmen stammen aus anderen Quellen. Der Träger der Uni ist der Kanton, er erlässt das Universitätsgesetz und den Leistungsauftrag – und finanziert nur einen Drittel der laufenden Ausgaben. Wir sind mit dieser Herausforderung nicht allein. Andere kantonale Universitäten haben ähnliche Probleme, allerdings nicht im gleichen Ausmass.
Zentral für mich ist, dass wir im Gegensatz zu anderen Subventionsempfängern einen relevanten volkswirtschaftlichen Gewinn für diesen Kanton erwirtschaften. Wir haben in mehreren Studien nachgewiesen, dass jeder vom Kanton in die Uni Bern investierte Franken die fünffache regionalwirtschaftliche Wirkung erzielt. Leider ist diese Erkenntnis schwer zu vermitteln, aber wir werden nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen.
Sie haben gefordert, dass die Uni Bern ihre Qualitäten selbstbewusster und aggressiver gegenüber der Öffentlichkeit darstellt. Die 175-Jahr-Feier war ein Erfolg.
Ja, das Jubiläumsjahr wurde sehr gut aufgenommen, da haben wir einen Durchbruch geschafft. In dieser Richtung müssen wir weiterarbeiten, das ist ein Dauerthema: In bestimmten Bereichen ist die Uni Bern international bekannter und wird mehr geschätzt als regional. Das Jubiläumsjahr hat uns zudem ermöglicht, ein ausgezeichnet funktionierendes Fundraising-System zu etablieren.
Ein Fest während eines ganzen Jahres: Urs Würgler feiert das 175-Jahr-Jubiläum seiner Uni.
In Ihre Amtszeit fällt die Umsetzung der Bologna-Reform – ein Kraftakt. Und offenbar ist die Uni Bern in gewissen Aspekten zu weit gegangen; es wird nachgebessert. Ist für Sie die Reform trotzdem eine gute Sache?
Als Rektor muss ich antworten: Bologna war überfällig und wegen der Kompatibilität zum europäischen Hochschulumfeld wichtig. Die Reform wurde beschlossen, und wir haben sie umgesetzt. Diese Umsetzung war komplex, wir haben Fehler gemacht, daraus gelernt und korrigieren nun. Persönlich bin ich überzeugt, dass die schweizerischen Universitäten eine Bologna-Reform nicht nötig gehabt hätten. Sie führte zu einem völlig undurchsichtigen Titelwirrwarr und zu unnötigen Verschulungen.
Urs Würgler, Sie sind ein passionierter Jäger. Hat diese Eigenschaft Ihnen in den Jahren an der Universität geholfen?
Passionierte Jäger haben insbesondere die Eigenschaft, Geduld zu haben und zu beobachten. Ob sie dann etwas erlegen, ist gar nicht so wichtig. Das Interessante ist das Beobachten. Nun habe ich allerdings meine Tätigkeit an der Uni nicht als Jagdersatz verstanden. Obwohl in gewissen Bereichen durchaus viel Geduld und Beobachtungsgabe nötig sind.
Hätten Sie gerne noch ein bestimmtes Ziel erreicht?
In der Zeit, in der ich hier wirken durfte, haben wir gemeinsam einiges erreicht. Dafür bin ich den Kolleginnen und Kollegen sowie allen Mitarbeitenden sehr dankbar. Aber klar: Die Universität ist eine permanente Baustelle. Ich bin zuversichtlich, dass mein Nachfolger, die erneuerte Universitätsleitung und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich daran weiterbauen werden.
Wie sehen Sie dem 1. August, Ihrem ersten Tag im Ruhestand entgegen?
Mit etwas gemischten Gefühlen.