Zwischen Bologna, Hörsaal und der Oper
Alle bekamen etwas von Gunter Stephan: Der Vizerektor Lehre löste die Tücken von Bologna, stellte Graduate Schools auf die Beine und lancierte eine Kontaktbörse für die Alumni. Nach acht Jahren ist nun Schluss: Er freut sich auf mehr Zeit für seine Familie, Sport und Musik.
uniaktuell: Herr Stephan, als Vizerektor Lehre sind Sie der Fachmann: Was ist gute akademische Lehre?
Gunter Stephan: Für mich gilt: Gute Lehre begeistert, führt zum Wesentlichen, zur Essenz des Wissens. Erforderlich sind hierzu Dozierende mit hoher Fachkompetenz, die gut vorbereitet und mit Ausstrahlung im Hörsaal stehen.
Seit acht Jahren sorgen Sie dafür, dass die Vorlesungen diesem Ideal nahekommen. Hinter den Kulissen gibt es viel zu tun, es wurde eigens ein Vizerektorat Lehre gegründet.
Das geschah vor allem, weil die Teilautonomie von 1999 die Unileitung vor neue Aufgaben stellte. Die Führung musste strukturiert, die Koordination von Lehre und Forschung verbessert und ein identitätsbildender Auftritt geschaffen werden. 2005 wurden alles rund um die Lehre, die Nachwuchsförderung, die Mobilität der Studierenden, die Kinderuniversität und die Betreuung der Ehemaligen, der Alumni, im Zentrum Lehre gebündelt.
Stets alle Hände voll zu tun. Nun tritt Gunter Stephan, Vizerektor Lehre, zurück. (Bilder: AK)
Gleichzeitig hatten Sie bei Ihrem Antritt viel zu tun – mit der Einführung des Bologna-Systems. Oft gerügt, hat das neue System auch Vorteile. Nennen Sie die drei wichtigsten.
Die Transparenz und klare Strukturierung der Studiengänge. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit Leitplanken für die Doktorierenden. Und eine gewünschte Verwissenschaftlichung des Masterstudiengangs.
Die Einführung hat in Bern aber zu einigen Problemen geführt.
Wir waren nicht genügend vorbereitet, wie so manch andere Uni auch nicht. Und es dauerte lange, bis wir die Strukturen des neuen Bachelor-Master-Systems auf geeignete Art in eine Erfassungssoftware (ePUB) implementieren konnten. ePub arbeitet bis heute nicht zufriedenstellend, so dass wir seit 2008 ein neues Tool entwickeln.
Heute ist Bologna Alltag. Aber für das Zentrum Lehre stets Baustelle.
Die Universität Bern hat eine der schlanksten Verwaltungsstrukturen unter allen schweizerischen Universitäten. Dennoch fliessen noch zu viele Ressourcen in die Studierendenverwaltung. Hier wird – wie gesagt – eine neue Software Erleichterung schaffen. Auch die Stundenpläne und Prüfungen könnten noch flexibler werden.
Unzufrieden sind aber ja vor allem die Studierenden – welche Verbesserungen erfahren sie?
So unzufrieden sind die Studierenden gar nicht! Jedenfalls setzen wir uns ein, mehr Möglichkeiten für ein Teilzeitstudium zu schaffen. Wir reduzieren die Anzahl Prüfungen, schaffen die Präsenzkontrollen ab. Eine Arbeitsgruppe ist daran, diese und weitere Revisionen breit abgestützt vorzubereiten.
Jährlich melden sich rund 5 Prozent mehr Studierende an der Uni Bern an – bald sind es 15'000 junge Frauen und Männer. Die Hauptstadt-Universität ist attraktiv.
Ja, das ist sie – als Volluniversität per se, und weil wir eine klare Strategie mit ausgewiesenen Profilierungsthemen haben. So wird sichtbar, worin unsere Stärken liegen. Dies merken wir bei den Freshers‘ Days, die von den Gymnastinnen und Gymnasten als sehr gut bewertet werden. Zudem hatten wir bisher eine glückliche Hand bei der Auswahl des akademischen Personals und bei der Einwerbung von Drittmitteln, was gute Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs schafft.
Und was trägt das Zentrum Lehre – neben der guten Lehre im Hörsaal – zu dieser Attraktivität bei?
Der intensive Kontakt zu den Mittelschulen und entsprechende Infoveranstaltungen machen die Uni Bern bei den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bekannt. Ausserdem bieten unsere spezialisierten Masterstudiengänge und die zwölf neuen «Graduate Schools», die den Profilierungsschwerpunkten angegliedert sind, optimale Ausbildungs- und Vertiefungsmöglichkeiten. Schliesslich finden Doktorierende bei uns eine strukturierte Betreuung durch ein Team, welches ihnen die neben dem wissenschaftlichen Knowhow auf dem Markt geforderten Fähigkeiten beibringt: Präsentationen machen, Projekte leiten, Anträge schreiben.
Alle bekommen etwas vom Zentrum Lehre, die Studierenden, die Doktorierenden, die Dozierenden – und was die Alumni?
Wir bauen kontinuierlich eine Art Kontaktbörse der Ehemaligen der Uni Bern auf. Diese Datenbank erlaubt, dass sich Berner Absolventinnen und Absolventen, unsere Alumni, untereinander vernetzen. Die Ehemaligen sind für eine Universität sehr wichtig: Direkt kann das Fundraising von diesen Kontakten profitieren – und indirekt erzielt jede Plauderei eines Ehemaligen über «seine» Uni einen Imageeffekt draussen in der Bevölkerung, in Politik und Wirtschaft.
Sie waren das Zugpferd für viele Veränderungen an der Uni Bern – worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin stolz auf die Unileitung als Team. Die Universität hat in den letzten Jahren grossen Veränderungen gemeistert, sich eine zukunftsorientierte Strategie und mit den Leistungsvereinbarungen ein neues Führungsinstrument gegeben. Die glückte, weil wir als Team immer gut funktioniert haben. Ohne grosse Konflikte. Das wünsche ich auch der neuen Unileitung.
Nach acht Jahren im Vizerektorat hat Gunter Stephan wieder mehr Zeit für seine Familie und seine Hobbys.
Sie treten nach acht Jahren aus dem Leitungsgremium aus – warum nicht gleich weitermachen bis zum 10-jährigen Jubiläum?
Ich habe immer gesagt, dass ich zusammen mit Urs Würgler zurücktrete.
Wohin fliesst nun die frei werdende Energie?
Ich arbeite ja beim NFS Klima und am Oeschger Center of Climate Research mit und leite eine Forschungsgruppe im Bereich Klimaökonomie. Meine Lehrtätigkeit war ausserdem in den letzten Jahren stark reduziert – das soll sich nun wieder ändern.
Da nun die abendlichen Unileitungssitzungen ausfallen …
… bekommt meine Familie endlich wieder mehr Aufmerksamkeit. Meine beiden Söhne sind erwachsen, aber meine Frau und unsere 13-jährige Tochter freuen sich über mehr gemeinsame Zeit. Und neben dem Joggen und Radfahren habe ich noch die Musik: Ich bin ein leidenschaftlicher Opern-Fan.