Volltreffer für eine erfolgreiche Fussballkarriere

Motorische Begabung allein macht aus einem Jugendlichen noch keinen Spitzenfussballer – die Unterstützung der Familie und ein früher Kontakt mit der Sportart bestimmen genauso darüber. Berner Sportwissenschaftler haben untersucht, auf welche Weise diese äusseren Faktoren eine erfolgreiche Fussballerkarriere begünstigen.

Von Maximiliano Wepfer 26. April 2011

Spitzenfussballer wird man, wenn man Talent hat – so die gängige Meinung. Marc Zibung, Projektmitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft der Uni Bern (ISPW), präzisiert: «Wenn man ein Talent ist.» In einer vom Schweizerischen Fussballverband (SFV) finanzierten Studie hat das Forschungsteam von Professor Achim Conzelmann aktive und ehemalige Spitzenfussballer befragt, welche Faktoren ihre Sportkarrieren förderten. Dabei konzentrierten sich die Forschenden auf Umweltfaktoren wie das soziale Umfeld. «Die ganze persönliche Situation eines Menschen macht letztlich sein Talent aus», erklärt Zibung. Der Ausdruck «Talent haben» setze eine einseitige genetische Veranlagung voraus. Stattdessen gehen die Berner Sportwissenschaftler davon aus, dass Talent weder angeboren noch antrainiert ist, und fokussieren auf die Wechselwirkung der beiden Faktoren.

Marc Zibung mit Ball
Sportwissenschaftler Marc Zibung hat nach den Bedingungen geforscht, die eine erfolgreiche Fussballerkarriere fördern. Bild: wem

Ohne die Familie geht’s nicht

Ein wichtiges Ergebnis der Studie vorab: Die Unterstützung der Familie ist entscheidend für den Erfolg. Fehle sie, so Zibung, könne eine Karriere selbst dann scheitern, wenn alle anderen Bedingungen erfüllt seien. Daher ist eine grundsätzliche Sportaffinität in der Familie notwendig, zum Beispiel mit sportlich aktiven Eltern oder älteren Geschwistern in einer Vorbildrolle. Ein früher Kontakt mit Fussball wirkt sich ebenfalls positiv aus. «Manche der Befragten können sich nicht daran erinnern, ob sie zuerst «schutten» oder gehen konnten», sagt Zibung lachend.

Als weiterer Erfolgsfaktor kommt hinzu, dass die Kinder viel Fussball spielen. Dies gilt nicht allein fürs offizielle Training: Erfolgreiche Spieler haben in ihrer frühen Kindheit in der Freizeit doppelt so viel Fussball gespielt wie im Klubtraining. Technik- und Taktikübungen im frühen Kindesalter würden wahrscheinlich überbewertet, meint Zibung. «Auf den Inhalt kommt es weniger an als auf den Umfang.» Weiter stützt die Studie den Stellenwert von individuellem Training in der Jugendphase, um Stärken zu fördern und Schwächen aufzuarbeiten. Für eine Spitzenkarriere gehe es heutzutage ab etwa 15 Jahren nicht mehr ohne Sonderlösungen wie Sportgymnasien, hält Zibung fest. «Karrieren wie sie früher möglich waren, als Spieler erst nach der Lehre Fussballprofis wurden, sind heute undenkbar.» Handkehrum sollte der Wechsel zu einem professionellen Klub auch nicht zu früh erfolgen – das Leistungsniveau des ersten Klubs spielt in einer Fussballerlaufbahn nachweislich keine Rolle. Deshalb empfiehlt Zibung, am Anfang lieber zuzuwarten und viel im Dorfklub zu spielen, um sich dann mit zwölf Jahren für einen Profiklub zu entscheiden.

Gruppenbild der U-17-Nationalmannschaft
Ein Gruppenbild der so genannten «Titanen», die U-17-Nationalmannschaft, die 2002 Europameisterin wurde. Bild: SFV/zvg

Spät im Jahr Geborene sind benachteiligt

Alle diese personenzentrierten Erfolgsmerkmale will Zibung nun zu Spielertypen zusammentragen, um den Verbänden die Selektion zu erleichtern. Damit sollen Fehler wie der «Relative Age Effect» vermieden werden: Früh im Jahr geborene und früh entwickelte Kinder sind in Auswahlmannschaften häufiger vertreten. Sie fallen dank ihres Altersvorsprungs gegenüber den spätgeborenen Spätentwickelten leistungsmässig stärker auf. Können sich aber letztere trotz ihrer doppelten Benachteiligung durchsetzen, ist ihnen der Erfolg gewiss. «Nur 4 von den 159 untersuchten Fussballern sind zwar in dieser Kategorie zu finden, aber sie alle spielen heute auf Top-Niveau», stellt Zibung fest.

Zibung betont, dass einzelne Merkmale wie beispielsweise Schnelligkeit wenig Aussagekraft für eine Leistungsprognose haben. Anstelle einer variablenabhängigen Selektion plädiert er deshalb für einen personenzentrierten Ansatz. Dieser würde auch psychologische Faktoren wie zum Beispiel mentale Stärke berücksichtigen – auf welche es genau ankommt, will die Forschungsgruppe nun in einer nächsten Studie ab kommendem Sommer analysieren. Dabei sollen vier Jahre lang eine Reihe psychologischer und sportmotorischer Merkmale jugendlicher Auswahlfussballer im Abstand von sechs Monaten erhoben werden. «Die Verknüpfung der Ergebnisse aus beiden Untersuchungen sollte Aufschluss über künftige Selektionskriterien geben», glaubt Zibung.

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