Von Thai-Pillen und anderen Kicks und Trips

Drogen und Gifte sind sein Spezialgebiet: Der Berner Toxikologe Werner Bernhard untersucht synthetische Designerdrogen. Ständig erscheinen neue Substanzen und fordern die Wissenschaftler heraus.

Von Matthias Meier 17. Oktober 2011

«90 Prozent aller Giftmorde wurden in Europa mit Arsenik verübt, bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine Methode entwickelt wurde, um das Gift im Körper nachzuweisen», erklärt Werner Bernhard in seinem Vortrag für die Berner Chemische Gesellschaft. Er ist seit rund 20 Jahren forensischer Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin (IRM) der Universität Bern und ein ausgewiesener Experte für Gifte und Drogen aller Art. «Heute ist kaum mehr jemand so dumm und mordet mit Arsenik, diese Methode ist zu offensichtlich.» Die forensische Toxikologie ist ein Fachgebiet, das zwischen Medizin und Chemie angesiedelt ist und hilft bei der Untersuchung von unnatürlichen Todesfällen, Vergiftungen, Drogen- und Medikamentenmissbrauch. Die forensisch chemische Abteilung des IRM erbringt den Grossteil seiner Dienstleistungen für die Rechtspflege – verhilft also dem Gesetz zur Durchsetzung. Konkret heisst das: Es werden Leichen auf Gifte untersucht, illegale Drogen analysiert und Messungen von Blutalkoholwerten durchgeführt.

Bild einer synthetischen Droge mit einer Prägung des Mitsubishi-Emblems
«Mitsubishi à 0.27g»: Synthetische Drogen hinter dem Steuer gefährden die Sicherheit auf den Strassen. Bild: IRM

Drogen am Steuer sind ein grosses Risiko

«Verkehrssicherheit ist eines meiner grössten Anliegen», so Werner Bernhard. Rund 4000 Alkoholanalysen aus dem Strassenverkehr führt das Berner Institut für Rechtsmedizin pro Jahr durch. Der Durchschnitt der gemessenen Blutalkoholwerte beträgt dabei 1.7 Promille – eine erschreckend hohe Zahl. Es wäre jedoch schon lange nicht mehr zeitgemäss, sich bei den Verkehrskontrollen auf Alkoholkonsum zu beschränken: «Heute gefährden auch zahllose andere Drogen die Verkehrssicherheit», erklärt Bernhard. «Cannabis, Kokain, Halluzinogene und Opiate mindern das Risikobewusstsein und schränken Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit von Verkehrsteilnehmern ein».

Bild einer synthetischen Droge mit Kronen-Prägung
«Rolex Crown à 0.28g»: Grenzenlose Fantasie – sowohl bei der Zusammensetzung, wie auch bei Bezeichnungen von Ecstasy-Tabletten. Bild: IRM

Wenn Töne plötzlich sichtbar werden

Halluzinogene Drogen etwa haben laut Werner Bernhard schon bei sehr kleinen Dosen eine starke Wirkung. Für einen richtigen Trip reichen bereits 0.05 Milligramm LSD – das ist ein Fünfzigstel der von blossem Auge gerade noch wahrnehmbaren Menge. LSD führt zu extremen Wahrnehmungsveränderungen. Die psychoaktive Wirkung von LSD wurde 1943 von dessen Entdecker Albert Hofmann bemerkt: Nach einer unbeabsichtigten Aufnahme einer äusserst geringen Menge erfasste ihn der erste LSD-Trip der Geschichte – ausgerechnet auf dem Nachhauseweg mit dem Fahrrad. Plötzlich überkam ihn ein vorher nie erlebtes Gefühl, Farben und Formen veränderten sich, Töne wurden sichtbar, alles kam ihm anders vor. Diese starke Wirkung weckte viele Hoffnungen: In den 1950er Jahren glaubte man, die psychoaktive Substanz könnte Patienten mit Psychosen heilen. Dies bestätigte sich allerdings nicht. Die illegale Droge ist indes alles andere als harmlos: «20 Prozent aller LSD-Trips enden statt im Himmel in der Hölle, vor allem wegen zu hoher Dosierung», erklärt Experte Bernhard. «Unter Umständen finden Konsumenten nie wieder in die Normalität zurück.» Der aktuelle Trend geht heute in der Schweiz aber in eine andere Richtung: Auf dem Schwarzmarkt werden vor allem synthetische Designerdrogen in grossen Mengen verkauft.

Bild einer synthetischen Droge mit Prägung des Ying- und Yang-Symbols
«Ying Yang à 0.23g»: Die Harmonie wird den Konsumierenden nur vorgegaukelt. Bild: IRM

Der Kick aus dem Untergrund-Labor

Methamphetaminhaltige Thai-Pillen werden in geheimen Labors hergestellt und lassen sich entweder schlucken oder inhalieren. «Das Rauchen gibt den höheren Kick, die Stoffe gelangen sofort ins Hirn», erläutert Bernhard. Sorgen bereiten ihm die so genannten Designerdrogen der zweiten Generation. Der weitaus grösste Teil dieser Chemikalien stammt gemäss dem Experten aus chinesischen Labors. Die genauen Inhaltsstoffe dieser farbigen Pillen sind meistens unbekannt – ein grosses Problem für die Konsumentinnen und Konsumenten sowie für polizeilich Ermittelnde. Die immer neuen chemischen Zusammensetzungen bedeuten, dass die Erforschung der jeweiligen Substanzen mit der Entwicklung kaum Schritt halten kann. Die Konsumierenden dienen so als Versuchskaninchen. Dies hat auch Konsequenzen für die Rechtslage: Solange eine Droge nicht erforscht ist, kann sie gemäss dem geltenden Recht nicht in die Liste der verbotenen Substanzen aufgenommen werden. Sind neue Chemikalien nicht explizit klassiert in einem Register geführt, können sie auch kaum verboten werden. «Die Arbeit geht uns Toxikologen also nicht so schnell aus», so Werner Bernhard.

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