Wasserdampf als Indikator in der Atmosphäre
Die dynamischen Prozesse der mittleren Atmosphäre sind bis heute weitgehend unbekannt. Mit einem Hochleistungs-Messgerät zur Fernerkundung der Atmosphäre, das zu den besten weltweit gehört, gehen die Physikerinnen der Uni Bern Corinne Straub und Brigitte Tschanz nach Finnland, um diese Dynamik anhand von Wasserdampf-Schwankungen zu untersuchen.
Von Bern nach Deutschland über die USA bis nach Finnland – es reist um die Welt um die Atmosphäre zu erforschen. Die Rede ist vom mobilen Radiometer des Instituts für Angewandte Physik der Uni Bern, welches im Rahmen einer Masterarbeit entworfen und gebaut wurde. MIAWARA-C (Middle Atmospheric Water Vapour Radiometer - Campaign) misst von der Erde aus die vertikale Verteilung von Wasserdampf in der mittleren Atmosphäre, also in der oberen Stratosphäre und der Mesosphäre, in der Höhe zwischen 30 und 80 Kilometer über dem Erdboden. Für diese Aufgabe sei das Gerät dank der hohen Zeitauflösung eines der besten der Welt, betont Corinne Straub, Doktorandin am MIAWARA-C-Projekt. «Unser Radiometer ist in der Lage, alle zwei Stunden denselben Abschnitt der mittleren Atmosphäre zu messen.» Im Vergleich dazu hätten Satelliten zwar den Vorteil einer globalen Abdeckung, aber den Nachteil, dass sie auf ihrer täglichen Umlaufbahn nur einmal messen können, ergänzt ihre Kollegin Brigitte Tschanz.
Die Hälfte des in der mittleren Atmosphäre vorhandenen Wasserdampfs entsteht durch Oxidation von Methan, die andere Hälfte kommt aus der Troposphäre, der unteren Schicht der Atmosphäre. Von dort aus wird über den tropischen Breitengraden Wasserdampf wie mit einem Saugrohr zu den mittleren Schichten der Atmosphäre getrieben, wo er sich dann verteilt. Anschliessend bildet sich an beiden Polen jeweils zur Winterzeit in der Stratosphäre der so genannte Polarwirbel aus, der in unregelmässigen Abständen etwa jeden zweiten Winter zerrissen wird. Durch diese Störung erwärmt sich die Stratosphäre stark, und der Polarwirbel wird vom Pol weggeschoben. Bislang hat das Radiometer diese kurzfristigen Schwankungen, bei denen Wasserdampf durcheinander gewirbelt wird und die teilweise dramatisch ausfallen, im Winter gemessen, etwa im vergangenen Jahr im finnischen Sodankylä.
Gestörter Kreislauf auch im Sommer
Wasserdampf-Fluktuationen treten aber in den polaren Regionen auch im Sommer auf. Diese soll nun das Hochleistungs-Gerät in den kommenden Monaten in Sodankylä aufzeichnen. «In diesem Bereich besteht noch eine Forschungslücke», halten Straub und Tschanz fest. «Wir wollen herausfinden, worauf die Schwankungen zurückzuführen sind.» Gerade wegen der erwähnten kurzen Messabstände eigne sich das Gerät optimal für die Messung von solch dynamischen Phänomenen. Ein weiterer Vorteil ist laut Tschanz seine Anspruchslosigkeit: Das Radiometer funktioniert praktisch unabhängig von der Witterung, einmal eingeschaltet läuft es selbstständig und lässt sich von Bern aus steuern.
Der Aufbau des Geräts dauert bloss einen halben Tag. Da aber die Distanzen allfällige Reparaturen erschweren, bleiben die beiden Doktorandinnen sicherheitshalber eine Woche für ausgiebige Tests in Finnland. So werden sie beispielsweise Kalibrierungen mit flüssigem Stickstoff durchführen, um zu überprüfen, ob das Gerät nach der langen Reise noch einwandfrei funktioniert. Wasserdampf ist nämlich nur indirekt messbar: Das Radiometer registriert zunächst die schwache Mikrowellenstrahlung, welche die Wasserdampfmoleküle aussenden. Diese Werte gelangen über das Internet nach Bern, wo sie in Höhenverteilungen des Wasserdampfes umgerechnet werden. In der Forschungsstation in Sodankylä werden ausserdem zusätzliche atmosphärische Messungen durchgeführt, welche die Daten von MIAWARA-C ergänzen. «Erst die Kombination der Messungen von MIAWARA-C mit Satelliten- und Radardaten erlaubt eine zuverlässige wissenschaftliche Interpretation der Dynamik», betont Straub.
Kooperation mit ausländischen Instituten
Ein Institut allein wäre kaum in der Lage, alle diese Daten alleine zusammenzutragen. Daher sind die Berner Doktorandinnen auf den guten internationalen Austausch angewiesen. «Das Forschungsgebiet der Mikrowellen-Radiometrie ist nicht so gross und man kennt einander sehr schnell», sagt Straub. Dagegen könne die Zusammenarbeit mit uni-internen Stellen beziehungsweise nationalen Instituten noch optimiert werden, regt sie an. So freuen sich Straub und Tschanz über die geplante Kooperation mit der Klimawissenschaftlerin Olivia Romppainen vom Oeschger Centre for Climate Change Research (OCCR).