«Die Durchlässigkeit hat ihren Preis»

«Ohne Studium zur wissenschaftlichen Weiterbildung?» Diese Frage stand im Fokus der Herbsttagung des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW der Uni Bern. Zahlreiche Bildungsfachleute diskutierten die Ergebnisse einer neuen ZUW-Studie.

Von Christine Valentin 08. November 2011

Wie reagiert die Hochschul-Weiterbildung auf die Forderung der Politik nach einer besseren Durchlässigkeit des Bildungssystems? Soll Bildungswilligen, welche sich ihre Kompetenzen in der Berufswelt erworben haben, das Tor zur wissenschaftlichen Weiterbildung weit geöffnet werden? Oder wird mit der Zulassung von Nicht-Akademikerinnen und -akademikern zu den MAS-Studiengängen die Qualität wie auch der Wettbewerbsvorteil «Exklusivität» der Hochschulweiterbildung im Markt gefährdet? Dieses Spannungsfeld lotete das ZUW an einer gut besuchten Tagung zur neuen Studie «Praxen der Zulassung zur Hochschulweiterbildung in der Deutschschweiz» mit interessanten Referaten und Podiumsdiskussionen aus.


Andreas Fischer, Direktor des ZUW und Moderator Roger Ehret in der Diskussion. (Bilder: François Gribi)

Entscheidung «sur Dossier»

Ohne Studium zur wissenschaftlichen Weiterbildung: Der Titel der Tagung war laut Andreas Fischer, Direktor des ZUW, eher rhetorisch gemeint. Denn seit der Einführung des Master of Advanced Studies MAS – dem höchsten universitären Weiterbildungsabschluss – sind schon zahlreiche Frauen und Männer zu den MAS-Studiengängen zugelassen worden, obwohl sie kein Hochschulstudium vorweisen konnten. Den Entscheid für eine Aufnahme fällen jeweils die Studienleitungen an den Fachhochschulen und Universitäten aufgrund der Unterlagen, den beruflichen Erfahrungen, den Abschlüssen der höheren Berufsbildung und nach einem Gespräch – mit anderen Worten «sur dossier».

Dabei sind die Spannweiten gross: Je nach Fachrichtung und MAS-Studiengang werden laut der ZUW-Studie zwischen 0 bis 70 Prozent «Sur-dossier-Studierende» aufgenommen. Studiengänge, die ein spezifisches Vorwissen verlangen, das nur an einer Universität erworben werden kann, stehen ihnen aber in der Regel nicht offen. Dazu gehören etwa die Medizin, die Rechtswissenschaften oder die Physik. In diesen Disziplinen braucht es ohne Ausnahme den entsprechenden Hochschulabschluss, um zugelassen zu werden.

Stolperstein: Wissenschaftliches Arbeiten

Bisher haben die Hochschulen mit den «Sur-dossier-Studierenden» gute Erfahrungen gemacht. Trotzdem hat die Sozialwissenschaftlerin Therese E. Zimmermann in ihrer Untersuchung einen Stolperstein eruiert, der sowohl für die Studierenden wie auch für die Hochschulen eine Herausforderung ist: «Nämlich das wissenschaftliche Arbeiten – Wie schreibt man eine MAS-Arbeit, wie zitiert man korrekt? Hier müssen ‹Sur-dossier-Studierende› mit einem Zusatzaufwand rechnen, damit sie den Anforderungen gerecht werden.»


Therese E. Zimmermann: «Das wissenschaftliche Arbeiten ist ein Stolperstein.»

«Eines ist klar», so Zimmermann, «die Durchlässigkeit hat ihren Preis. Die Studierenden zahlen ihn mit Arbeit und Mühe. Und die Hochschulen mit einem steigenden Betreuungsaufwand.» Wenn diese mehr Studierende zulassen, die kein Hochschulstudium absolviert haben, verlange das einen Wechsel der Perspektive und zwar weg von der Zulassungsfrage. In Zukunft gehe es darum, wie viele Studentinnen und Studenten den Abschluss erfolgreich schafften und welche Unterstützung sie benötigten, um dieses Ziel zu erreichen, so die Bildungsfachfrau. «Einige Hochschulen haben diese Sichtweise schon übernommen und bieten mehrtägige Kurse im wissenschaftlichen Arbeiten an.»