In der Grill-Kampfzone
Darf man oder darf man nicht? Das Grillieren auf dem Balkon erhitzt die Gemüter – dazu die Gedanken des Juristen Thomas Koller. «uniaktuell» zeigt in der Sommerserie 2012 Erstaunliches über Freuden und Leiden in der wärmsten Jahreszeit.
«uniaktuell»: Der Balkon bedeutet Freiheit: Insbesondere im Sommer geniessen viele Menschen ihre Zeit auf der Plattform, wo man zu Hause und doch im Freien ist. Doch wie frei ist man dabei wirklich? Ist es rechtlich erlaubt, auf dem Balkon zu grillieren? Oder nur mit Elektrogrill?
Thomas Koller: Bedeutet der Balkon wirklich Freiheit oder ist er vielmehr eine «Kampfzone»? Denn des einen Freud ist des andern Leid: Wer jeden Abend bis spät in die Nacht hinein auf seinem Balkon eine Grill-Party feiert, kann nicht damit rechnen, dass die Nachbarn seine ungestillte Grillfreude teilen.
Das Thema scheint den Leuten unter den Nägeln zu brennen, wenn man Google glauben darf, juristisch dagegen ist es eine Wüste. Es gibt kein Bundesgesetz, das diese Frage regelt. Ebenso schmerzlich vermissen wir Juristinnen und Juristen eine Bundesratsverordnung über die Rahmenbedingungen für das Grillieren auf dem Balkon. Nicht viel anders präsentiert sich die Lage in der Justiz: Wohin man blickt, weit und breit kein Urteil des Bundesgerichts oder unterer Instanzen zu dieser brennenden Thematik. Wen wundert es da, dass auch die Rechtwissenschaft das Problem nur stiefmütterlich behandelt: Keine Doktorarbeit untersucht das Problem bis in seine feinsten Verästelungen hinaus, kein tiefgründiger Aufsatz in einer Fachzeitschrift bringt Licht ins Dunkle. Bei dieser Sachlage bleibt dem Juristen methodologisch nichts anderes übrig, als sich dem Problem über Generalklauseln zu nähern. Dies sei im Folgenden für die privatrechtlichen Aspekte des Themas versucht.
Der Grill auf dem Balkon… (Bild: istock)
Von Interesse sind im schweizerischen Grillprivatrecht eine miet- und eine nachbarrechtliche Bestimmung. Gemäss Art. 257f OR ist der Mieter beim Gebrauch der Mietsache zur Sorgfalt und zur Rücksichtnahme u.a. auf die andern Hausbewohner verpflichtet. Nach Art. 684 Abs. 2 ZGB sind im Nachbarrecht alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht verboten. Grillieren auf dem Balkon ist damit grundsätzlich erlaubt, aber es hat in Massen zu geschehen. Die andern Hausbewohner und die Nachbarn haben gewisse Beeinträchtigungen durch Grillgerüche und Lärm zu dulden, solange sich diese in einem vernünftigen Rahmen halten.
…bringt Thomas Koller in den Dschungel der Paragraphen. (Bild:mei)
Ein solcher Rahmen dürfte in der Regel gewahrt sein, wenn nicht ein Holzkohlegrill, sondern ein Elektro- oder Gasgrill verwendet wird, sofern nicht gerade an jedem Tag ein Grillfest steigt, und wenn sich die Teilnehmenden am Grillschmaus nicht allzu laut verhalten. Heikel wird es, wenn in einem Mietvertrag ausdrücklich ein generelles Grillierverbot enthalten ist. Ob ein solch umfassendes Verbot zulässig wäre, ist umstritten. Da aber sogar der Schweizerische Hauseigentümerverband von rund drei Jahren meinte, das Grillieren auf dem Balkon lasse sich kaum generell verbieten, wird man annehmen können, dass der Vermieter die massvolle Verwendung von Gas- oder Elektrogrills auf dem Balkon nicht untersagen darf.
Selbstverständlich lehne ich aber für diese Aussage (wie für den ganzen Beitrag) jegliche Haftung ab!
Zur Person
Prof. Dr. Thomas Koller ist Ordentlicher Professor für Privatrecht und Sozialversicherungsrecht, unter Berücksichtigung des Steuerrechts, am Zivilistischen Seminar der Universität Bern.