Berner Klimaforscher macht Prognosen für Wasserkraftwerke
Der Umweltnaturwissenschafter David Finger betritt mit der innovativen Koppelung von verschiedenen Modellen Neuland. Er zeigt auf, wie Kraftwerkbetreiber auf den Klimawandel reagieren müssen.
Diese Publikation über Wasserkraft wirft hohe Wellen: Im Fachmagazin «Water Ressources Research» zeigt David Finger vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern das künftige Wasserangebot für die Kraftwerke im Vispertal auf. Das renommierte Journal setzte die Geschichte gleich auf die Titelseite. Es handelt sich um Ergebnisse, die auch ausserhalb der Wissenschaftsgemeinde zu reden geben werden – denn sie sind für die Betreiber von Wasserkraftwerken im ganzen Alpenraum und anderen Bergregionen relevant.

David Finger und seine Mitautoren zeigen am Beispiel des Vispertals und der Kraftwerke Mattmark AG nämlich detailliert auf, wie sich das Abflussregime durch den Klimawandel verändern wird: Bis gegen Ende dieses Jahrhunderts wird gemäss Studie die Stromproduktion in Folge der Gletscherschmelze um rund ein Drittel zurückgehen, wenn die Anlagen nicht den neuen Bedingungen angepasst werden. Das meiste Wasser wird zudem nicht mehr wie heute im Sommer zur Verfügung stehen, sondern zunehmend bereits im Frühling. Das impliziert Anpassungen im Wassermanagement und in der Infrastruktur der Kraftwerke – etwa wenn die prognostizierten zunehmenden Starkniederschläge im Herbst die bestehenden Wasserfassungen an ihre Grenzen bringen können.
Hohe Verlässlichkeit gewährt
«Die Kraftwerkbetreiber täten gut daran, diese neuen Erkenntnisse ernst zu nehmen, zum Beispiel bei Investitionsentscheiden», sagt David Finger. Die Resultate von David Fingers Untersuchung haben eine hohe Verlässlichkeit: «Wie andere Studien zeigt auch unsere ganz klar, dass die vorausgesagten Veränderungen grösser sind als die Unsicherheiten der Modelle.»

Innovativ an der Arbeit von David Finger und seinen Kollegen ist die Koppelung von verschiedenen Modellen. Das hydrologische Modell wurde so eingesetzt, dass es den realen Kraftwerksbetrieb widerspiegelt. Das heisst, es berücksichtigt, wann und wohin Wasser umgeleitet wird, aber auch wie es gespeichert und schliesslich den Turbinen zugeführt wird. Im Standardmodell wird zudem der Unterschied zwischen Nord- und Südhängen bei der Schneeschmelze abgebildet; schliesslich hängt das Schmelzen des Schnees nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch von der Sonneneinstrahlung. Zudem wurde das neue Schneeschmelzmodul mit täglichen Schneekarten von Satellitenbildern kalibriert und validiert.
Die Faszination des Wassers
Den Einsatz von gekoppelten Modellen hat David Finger als PostDoc am Institut für Umweltingenieurwissenschaften an der ETH Zürich ersonnen. Doch das Wasser faszinierte den Klimaforscher bereits in der Schulzeit an der Sommerville High School in Boston, wo er untersuchte, wie sich die Wasserqualität auf die Algenbildung auswirkte. In seiner Diplomarbeit erforschte Finger Mischprozesse in einem von Uran- und Cyanid-Kontamination bedrohten See in Kirgisien.
Eine Erfahrung, die ihm dann für seine Dissertation an der EAWAG in Kastanienbaum zugute kam: Er ging in einem Forscherteam der Frage nach, welche Auswirkungen Kraftwerke und Kläranlagen auf die Ökologie des Brienzersees haben.
Die Wissenschaftler zeigten damals, dass der dramatische Rückgang der Fischbestände im See nichts mit der Wassernutzung der zufliessenden Aare zu tun hat, sondern darauf zurückzuführen ist, dass dem See weniger Nährstoffe zugeführt werden.

Das Ökosystem und der Mensch
An seiner neuen Arbeitsstelle in der Gruppe für Hydrologie des Geographischen Instituts der Universität Bern befasst sich der Forscher mit interdisziplinärer hydrologischer Modellierung. «Ich will mit Hilfe von Modellen zeigen, wie sich anthropogene Einflüsse auf die Leistung von Ökosystemen auswirken», sagt David Finger. Denn: «Nur aus funktionierenden Ökosystemen kann der Mensch auch nachhaltig Nutzen ziehen.»