Bern singt

Rund 90 Chöre gibt es in der Stadt Bern. Wie bunt das Berner Chorleben der letzten 150 Jahre ist, zeigt eine Ausstellung des Instituts für Musikwissenschaft.

Von Bettina Jakob 08. März 2012

«Midwife Crisis», «Sweet’n’Power» und «Westside Singers» – diese Namen lassen die Vielfalt der Chöre in Bern bereits vermuten: Ob Hebammen, schwul-lesbische und heterosexuelle Singende oder solche, die lieber Musicals auf die Bühne bringen als Bach – unter den 90 aktiven Chören in der Zähringerstadt finden Singfreudige bestimmt eine Heimat. «Sehr überrascht» von der Buntheit und vor allem von der Anzahl der Berner Chöre wurde Cristina Urchueguia, Professorin für Musikwissenschaft an der Uni Bern. Im Auftrag des Oratorienchors Bern, der heuer sein 150. Jubiläum feiert, hat sie mit vier wissenschaftlichen Mitarbeitenden die Ausstellung «150 Jahre Chorleben in Bern» auf die Beine gestellt. Heute um 18 Uhr wird sie in der Dreifaltigkeitskirche eröffnet.


Auch Junge begeistern sich fürs Singen: Chor des Gymnasiums Neufeld. (Bild: Markus Jordi/zvg)

Singen, singen, singen

Die Daten, welche die Musikwissenschaftler aus Archiven, Bibliotheken und Umfragen zusammengetragen haben und nun präsentieren, zeigen noch mehr Erstaunliches: «Es kommen ständig neue Chöre hinzu», sagt Urchueguia, «exotische, aber solche, welche bekannte Stücke von Barock bis zur klassischen Moderne singen.» Offensichtlich vermag eine Chor-Kultur, die man eher einer früheren Zeit ohne viele Freizeitangebote als dem modernen iTunes-Alltag zuschreibt, die Menschen nach wie vor anzuziehen. «Es ist das Singen», sagt die Musikwissenschaftlerin. Das ist der Hauptgrund, warum Menschen wöchentlich in die Chorprobe gehen: «Um gemeinsam mit anderen ohne grosse musikalische Kenntnisse etwas Exzellentes auf die Bühne zu bringen», so Urchueguia.


Ein Blick zurück ins Berner Chroleben: Vorstand der Berner Liedertafel 1919/1920 (Bild: Berner Liedertafel/zvg)

Die Geselligkeit, wie man sie in Vereinen pflegt, kommt erst an dritter Stelle bei den 700 befragten Berner Sängerinnen und Sängern. Auch Spiritualität und Networking – etwa in den Betriebschören, wo Angestellte neben den Chefs in Reih und Glied stehen – bewegen die Singfreudigen vors Notenblatt.

Typisch weiblich und über 50jährig

Rund 3000 Bernerinnen und Berner singen mit – und zwar doppelt soviele Frauen wie Männer: «Die typische Sängerin ist über 50jährig und hat eine höhere Ausbildung», sagt Cristina Urchueguia. Für die soziologische Untersuchung, warum dies so ist, reichte die Zeit bisher aber nicht: Die Musikwissenschaftler erhielten im Dezember den Auftrag, nun startet die Ausstellung bereits. Man zäume das Pferd sozusagen von hinten auf, sagt Urchueguia: «Auf einer Website werden wir bald noch mehr Resultate, Hintergründe und Interpretationen unserer Recherche veröffentlichen.»


Letzte Vorbereitungen für die Ausstellung: Die Berner Musikwissenschaftlerinnen an der Arbeit. (Bild: Cristina Urchueguia)

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