Die Schweizer machen viel Theater
Seit 20 Jahren gibt es das Institut für Theaterwissenschaft an der Uni Bern. Als einzige Forschungsstätte in dieser Disziplin in der Schweiz leistet es wichtige Grundlagenarbeit zum Schweizer Theater. 26 Bücher und ein Theaterlexikon widerspiegeln die Vielfalt und Charakteristika des Schweizer Theaters.
Wir leben in einem Land des Theaters: «Die Schweiz zeichnet sich aus durch eine sehr ausdifferenzierte Theaterlandschaft und viele Formen, die parallel existieren», fasst Beate Schappach, Assistentin am Institut für Theaterwissenschaft (ITW), die wichtigsten Erkenntnisse des neu erschienenen Buches «Bühne & Büro» zusammen. In diesem Sammelband geht es um das Gegenwartstheater in der Schweiz. Die Autoren – Mitarbeitende, Studentinnen und Doktoranden des ITW – beleuchten Themen wie die Theatertopografie in der Stadt, auf dem Land und in der Westschweiz sowie verschiedene Formen wie Bühnentanz, Poetry Slam, Laienoperette und Theater im Gefängnis.
Drei Säulen des Theaters
Als die «grösste Besonderheit, die sich sonst nirgends findet in Europa», beschreibt Andreas Kotte, Gründungsdirektor und Professor des ITW, «die drei Säulen des Schweizer Theaters»: das Stadttheater, die Freie Szene und das Volks-/Amateurtheater, welche zu fast gleichen Teilen die Besucherinnen und Besucher anziehen.

Von Bedeutung sind hierzulande also nicht nur die grossen, finanziell abgesicherten Stadttheater, wie dies in Deutschland tendenziell der Fall ist. «Die Freie Szene boomt seit den 1970er Jahren», so Kotte. Beispiele für solche Theater sind die Rote Fabrik in Zürich, die Kaserne Basel oder das Schlachthaus Theater in Bern.
Während die rund 30 Stadttheater etwa 1,5 Millionen Zuschauer pro Jahr anziehen, sind es in den ungefähr 300 Spielstätten der Freien Szene gar 1,7 Millionen. Amateurgruppen sind schweizweit knapp 900 verzeichnet, und sie kommen jährlich auf 1,2 Millionen Besucher.
«Das Amateurtheater in dieser Ausprägung ist sehr schweizspezifisch», betont Beate Schappach. Die Programme seien sehr ausdifferenziert, aber auch breit abgestützt, das Engagement gross. «Das Angebot ist so vielfältig, dass es kaum überschaubar ist.»
Wichtige Impulse aus Bern
Einen Überblick zu gewinnen, versucht das Berner Institut für Theaterwissenschaft, das vor 20 Jahren gegründet wurde und das einzige universitäre Theaterinstitut in der Schweiz ist. «Wir sind in Bezug auf Theater und Tanz ein Teil des kulturellen Gedächtnisses der Schweiz», erklärt Andreas Kotte. Hier werden ausserdem der akademische Nachwuchs sowie künftige Kulturjournalistinnen, Regisseure oder Dramaturginnen ausgebildet. Die zahlreichen Absolventinnen, die ins Ausland arbeiten gehen, tragen gemäss Schappach zum internationalen Austausch bei.
Das Berner Institut ist mit seinen 20 Jahren noch vergleichsweise jung – das erste Institut für Theaterwissenschaft wurde 1923 in Berlin gegründet – hat aber seinen Platz gefunden. «Von Bern gehen wichtige Impulse für die Reflektion von Theatergeschichte, von Begriffen und Methoden aus, da wir mit einem breiten Verständnis und unvoreingenommen an die Sache herangehen», ist Schappach überzeugt.

Ziel Kompetenzzentrum
Seit seiner Gründung hat das ITW 26 Bücher mit Forschungsergebnissen publiziert und ein grosses «Theaterlexikon der Schweiz» erarbeitet. Damit ist die Arbeit aber nicht getan. «Die Erforschung des Schweizer Theaters läuft weiter», sagt Beate Schappach. Die Theaterwissenschaftlerin will neben den Studien zum Gegenwartstheater in der Schweiz vermehrt auch die nationale mit einer internationalen Perspektive verschränken.
Für Andreas Kotte steht vor allem eine stärkere Zusammenarbeit von Institutionen wie der Theatersammlung, der Hochschule der Künste Bern und der Zürcher Hochschule der Künste im Zentrum. «Wenn wir bis zu unserem 25-Jahr-Jubliäum ein Kompetenzzentrum für Theater und Tanz in Bern aufbauen könnten, wäre das ein tolles Ergebnis.»
20 Jahre ITW
Bereits 1927 bestimmt die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur in ihren Statuten, sich für die Schaffung eines Lehrstuhls für Theaterwissenschaft einzusetzen. Sie gründet 1943 die Schweizerische Theatersammlung in Bern. Das geplante Institut für Theaterwissenschaft (ITW) nimmt 1992 mit einer Professur seine Arbeit auf. Heute sind es drei Professuren, die Zahl der Studierenden liegt bei ungefähr 160. Zahlreiche Studierende kommen auch von anderen Unis ans ITW. Zum Gründungsauftrag des Instituts gehört die Erforschung der schweizerischen Theaterlandschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Dazu wurde nicht nur ein Theaterlexikon erarbeitet, zahlreiche Werke sind im Rahmen der Reihen «Materialien des ITW Bern» sowie «Theatrum Helveticum» erschienen.