Der grosse Tag einer grossartigen Uni

Erziehungsdirektor und Rektor sind sich einig: Die Uni Bern leistet Grosses, aber sparen sei ohne Substanzverlust nicht mehr möglich. Die SUB fordert Chancengleichheit und die Vizerektorin betonte, wie wichtig Forschung zur Nachhaltigkeit ist. Appellierende Reden im feierlichen Casino-Saal. Das war der Dies academicus der Uni Bern.

Von Bettina Jakob 01. Dezember 2012

«Alles Grosse in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er muss.» Mit diesem Zitat von Hermann Gmeiner, Gründer der SOS-Kinderdörfer, fasste der Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver seine Rede am diesjährigen Dies academicus zusammen – wie alle Jahre wieder hatte sich die Uni-Gemeinde mit Gästen im festlichen Saal des Kulturcasinos versammelt, um ihre 178. Stiftungsfeier zu begehen.


Der Dies academicus 2012 der Universität Bern im Kulturcasino beginnt. (Bilder: Manu Friederich)

Mit diesen Worten sprach der Regierungsrat den Uni-Angehörigen direkt aus dem Herzen. Die Universität Bern behauptet sich nämlich erfolgreich im nationalen und internationalen Hochschulwettbewerb – und dies trotz einer immer prekäreren Lage, wie Uni-Rektor Martin Täuber erläuterte: In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Studierenden um 50 Prozent zugenommen, nicht aber der Kantonsbeitrag ans Uni-Budget; dieser fiel von 50 auf 37 Prozent. Eine weitere Herausforderung: «Die steigenden Aufgaben in der Lehre bei fehlenden zusätzlichen Mitteln belasten vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und Dozenten, welche immer weniger Zeit für ihre Forschung finden», so Täuber – was wiederum deren Chancen auf eine erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln schwäche.


Klare Worte von Uni-Rektor Martin Täuber: Die Sparmassnahmen des Kantons gehen an die Substanz der Uni.

Die Uni leistet Grossartiges…

Nichtsdestotrotz leisten die Berner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Grosses – auch gerade bei der Geldakquisition: In den letzten zehn Jahren hat sich die Summe der eingeworbenen Forschungsmittel auf über 200 Millionen Franken verdoppelt. Dies führt der Rektor auf den Forschungserfolg der Uni Bern zurück, etwa durch die strategisch gewählten Profilierungsschwerpunkte: So erhielten kürzlich zum Beispiel Berner Forschende im Rahmen eines neuen ESA-Programms den Zuschlag für einen Satelliten zur Erforschung neu entdeckter Planeten.

…Niveau zu halten ist aber schwierig

Alles wunderbar – doch kräftezehrend: Rektor und Arzt Martin Täuber verglich die universitäre Lage mit der einer chronischen Blutung, kaum sichtbar, aber man verliert langsam an Substanz. Für den Rektor ist klar: «Die Universität wird sich im Spannungsfeld zwischen weiteren Kürzungen und steigenden Ansprüchen wie Infrastruktur, Studierendenzahlen, Qualitätsmassnahmen nicht beliebig lange auf hohem Niveau behaupten können.» «Einschneidende Massnahmen» seien zwar in Absprache mit dem Kanton grundsätzlich möglich, so Martin Täuber. Relevante Einsparungen wären langfristig aber erst mit der «Streichung von grossen Bereichen» zu erreichen; was aber «die Ausstrahlung der Universität schwächen und die Zusammenarbeiten zwischen Forschungsgebieten zerstören würde».

Was bringt die Uni dem Kanton?

«Ja – Bildung ist nicht umsonst, sie kostet etwas», stimmte Regierungsrat Bernhard Pulver dem Rektor zu. Vielleicht müsste man auch einmal ein «Defizit in Kauf nehmen, wenn wir grösseren Schaden von zentralen Bildungserrungenschaften dieses Kantons abwenden wollen». Bislang hätten seine Appelle nicht gefruchtet und das Berner Volk hat sich im Herbst für höhere Steuersenkungen entschieden. Pulver führte aus, wie wichtig die Uni für Bern sei: Der ökonomische Nutzen etwa sei mit 450 Millionen Franken an Gehältern, die in Bern versteuert würden und 500 Millionen Ausgaben, die im Kanton getätigt würden, sehr hoch. Die Universität trage wesentlich zur Ausbildung der Bernerinnen und Berner bei, denn Absolvierende würden ihr Wissen in die hiesige Produktion von Gütern und Dienstleistungen tragen.


Betonte den ökonomischen und gesellschaftlichen Wert der Uni für Bern: Regierungsrat Bernhard Pulver.

Nicht zu unterschätzen sei auch die soziokulturelle Bedeutung der Alma mater für Bern – mit der Kinderuni, der Seniorenuni, dem Unichor oder etwa dem Unisport, welcher rund 16’000 Studierende und 6000 Mitarbeitende fit halte. Selbst die blosse Existenz der Uni habe einen zentralen Wert für den Wirtschaftsstandort – «ohne Universität wäre die Hauptstadtregion ein Provinzstädtchen», so der Erziehungsdirektor. Pulver stellte sich voll hinter die Uni und er will gerade die Zentren und Forschungsschwerpunkte mit «all seinen Kräften fördern». Trotz der geringen kantonalen Mittel leiste die Universität «Grossartiges».

Die Vision des Uni-Rektors

Und grossartig soll sie auch in Zukunft bleiben, die Universität Bern, so wie sie der Rektor sieht: Martin Täuber möchte nämlich zwei zusätzliche Nationale Forschungsschwerpunkte in Bern angesiedelt haben; im laufenden Wettbewerb sind die Berner Projekte hoch im Kurs. Interdisziplinarität soll noch gezielter gefördert werden. Die Umrisse eines solchen Bereiches könnten Themen wie Nachhaltigkeit, Klima, globale Handelsregulationen, Ökologie, Biodiversität sein, die mit Expertisen aus der Ökonomie, Psychologie, Sozial- und Geisteswissenschaften ergänzt würden. Ein anderer Bereich könnte die Gebiete Biomedizin, Naturwissenschaften, Neurowissenschaften zusammen mit Religions-, Geistes- und Sozialwissenschaften umreissen, so Täuber.

«Am Ende steht eine gestärkte, moderne, innovative und leistungsfähige Universität, von welcher der Kanton dank ihrer Ausstrahlung, ihrer Vernetzung mit anderen Bildungsinstitutionen und dem privaten Sektor stark profitieren wird», wünscht sich der Uni-Rektor. Der Kanton sei nun herausgefordert, eine «vorwärts gerichtete Strategie zu entwickeln, welche die Universität als zentralen Erfolgsfaktor erkennt.»

SUB will gleiche Chancen für alle

Der Appell der StudentInnenschaft der Universität Bern (SUB) war ebenfalls klar, wie Letizia Carigiet vom Vorstand ausführte: Mit seinen neuesten Sparmassnahmen spare der Kanton an der Zukunft der Studierenden und Doktorierenden, an der Zukunft der Mitarbeitenden, an der Qualität der Universität – letztendlich spare aber der Kanton an seiner eigenen Qualität und Zukunft. Und mit erhöhten Studiengebühren – und Eignungstests sowie Studienplatzbeschränkung – würden dazu noch neue Hürden gesetzt, die der Chancengleichheit entgegen stünden. Carigiet fordert, dass die Uni ein Platz sei, «an dem es möglich ist, Studium, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Ein Platz, an dem es möglich ist, Teilzeit zu studieren, wenn es die körperliche Verfassung nicht anders erlaubt, ein Platz, an dem es möglich ist, sich nicht zu verschulden, um die Gebühren zu zahlen, ein Platz, an dem man sich ungehindert entfalten kann und gefördert wird». Die SUB-Sprecherin freute sich über die eingereichte Stipendieninitiative zur Harmonisierung der Stipendien als einen wichtigen Schritt Richtung Chancengleichheit.


Hielt ein Plädoyer für Chancengleichheit: Letizia Carigiet von der SUB.

Akademische Rede zur Nachhaltigkeit von Vizerektorin Doris Wastl-Walter

Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Chancengleichheit: Wichtige Themen der Zeit, mit denen sich Doris Wastl-Walter, Vizerektorin Qualität, in ihrer akademischen Rede auseinandersetzte. In der Definition ist eine nachhaltige Entwicklung, «eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können (World Commission on Environment and Development, 1987)». Diese Norm beinhalte sowohl eine zeitliche, eine räumliche  als auch eine soziale Perspektive und bilde ein «magisches Dreieck» mit einer ökonomischen, einer ökologischen und einer sozio-kulturellen Dimension. «Diese drei Bereiche stehen in einem äusserst komplexen systemischen Wirkungsgefüge», so die Vizerektorin, Veränderungen im einen Bereich führten zu Konsequenzen in den anderen, und dadurch immer wieder zu gesellschaftlichen Verhandlungen.


Die Universität soll mögliche Lösungen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen: Vizerektorin Doris Wastl-Walter.

Die Rolle der Wissenschaft bestehe darin, Zielkonflikte zu analysieren, neutrales Wissen zu generieren und Wissen für Transformation sowie Reflexion bereitzustellen. Die Universität Bern hat sich gemäss Doris Wastl-Walter darin schon profiliert: «Als Forschungszentrum hat sich aus der Geographie neben dem Oeschger Center für Klimaforschung das Center for Development and Environment (CDE) entwickelt, das internationale Spitzenforschung im Bereich der Nutzung von natürlichen Ressourcen betreibt.»

Doris Wastl-Walter hob im Weiteren Gerechtigkeit und Solidarität als wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit hervor – und führte die Geschlechtergerechtigkeit als Beispiel an. Ein Bereich, zu welchem die Universität Bern ebenfalls Wesentliches beitrage: Das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) der Uni Bern, an welchem Wastl-Walter als Kulturgeographin forscht, reflektiert seit seiner Gründung 2001 die gesellschaftlichen Dimensionen von Geschlecht, Geschlechtlichkeit und Geschlechterbeziehungen – und erforscht soziale Kategorien und die damit verbundene «Ordnung der Geschlechter». Die Vizerektorin betonte, dass die Universität nicht gesellschaftliche und politische Entscheidungen treffen könne und solle. Vielmehr soll sie aber Debatten anstossen, Grundlagen liefern und mögliche Lösungen «hin zu einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung» anbieten.

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