Ihr Herz schlägt auch für die Forschung

Henriette Brinks hantiert mit Skalpell, aber auch mit Pipette. Die 35-jährige Ärztin ist Herzchirurgin und Wissenschaftlerin. Sie erforscht, wie geschwächte Herzmuskelzellen wieder munter gemacht werden können. Dafür erhält Brinks den Forschungspreis des Departements Klinische Forschung (DKF) der Uni Bern.

Von Bettina Jakob 14. November 2012

Was für ein eigentümliches Mobilé! Da baumeln verschiedene Modelle von Herzpumpen in Henriette Brinks’ Büro von der Decke. Während andere Vögel fliegen lassen, schwebt ihr stets ihre Arbeit vor. Die 35-jährige Deutsche ist angehende Herzchirurgin unter Professor Thierry Carrel am Inselspital Bern und steht fast jeden Tag für einen oder zwei Eingriffe im Operationssaal. Als Assistenzärztin im letzten Jahr ist sie damit eigentlich vollbeschäftigt – doch Henriette Brinks’ Herz schlägt nicht nur für die Chirurgie: Wann immer es geht, tüftelt sie im Labor, macht Tests an Herzmuskelzellen und sucht nach Therapien, wie geschwächte Zellen wieder fit gemacht werden können. «Forschung macht mir einfach sehr viel Spass und schafft einen guten Ausgleich», erklärt Brinks. Nun erhielt die junge Ärztin den diesjährigen Forschungspreis des Departements Klinische Forschung (DKF) der Uni Bern.


Erklärt den Mechanismus einer kreislaufunterstützenden Pumpe: Preisträgerin Henriette Brinks. (Bild: bj)

Hilfe für das schwache Herz

Was passiert, wenn ein Herzmuskel aufgrund von angeborenen Defekten oder erworbenen Krankheiten, zum Beispiel einem Herzinfarkt, nicht mehr stark genug ist, den Körper mit Blut und so mit Sauerstoff zu vorsorgen? «Wir setzen dem Patienten – sofern kein geeignetes Spenderherz vorhanden ist – eine kreislaufunterstützende Pumpe ein», sagt Chirurgin Brinks. Mithilfe dieser Pumpe kann ein Patient dann weiterleben, sich frei bewegen, und manch ein angeschlagener Herzmuskel kann sich mit dieser Entlastung manchmal ganz erholen. Im Labor sucht die Chirurgin zusätzlich nach therapeutischen Stoffen, «die die Regenerationsfähigkeit eines geschwächten Herzen erhöhen – und direkt beim operativen Eingriff appliziert werden könnten», führt Brinks aus.

Vielversprechende Stoffe hat die Herzspezialistin bereits getestet: Etwa ein Protein, das die Herzmuskelzellen besser auf Kalzium reagieren lässt, was für eine kräftige Kontraktion des Herzens wichtig ist. In ihrem Forschungsaufenthalt an der «Thomas Jefferson University» in Philadelphia konnte sie die Effektivität dieses Proteins an menschlichen Herzmuskelzellen bereits nachweisen.

Tests an menschlichen Herzzellen

Das Berner Projekt, das jetzt mit 30'000 Franken Preisgeld unterstützt wird, hat einen anderen Stoff im Fokus, der ein insuffizientes Herz hoffentlich zum kräftigeren Schlagen anregen kann: «Wir wollen drei verschiedene Moleküle testen, die unter anderem die Herzmuskelzellen sensitiver für Adrenalin machen», so die Forscherin. «Wir», das sind vor allem ihr Mitarbeiter im Labor, aber auch ihre Kollegen an der Abteilung, die sie unterstützen und ihr gewisse Freiräume schaffen – und die Studentin, die Brinks mit dem Preisgeld anstellen will, um bei der Präparation der Testzellen zu helfen. Die Therapeutika sollen an menschlichen Herzmuskelzellen getestet werden, welche von kranken Herzen stammen. «Da ich dann selber oft mit am OP-Tisch stehe, brauche ich jemanden, der die Herzmuskelzellen in kurzer Frist präparieren kann», erläutert Henriette Brinks.

Der Weg zum Patienten ist noch lang

Diese menschlichen Zellen sind für Brinks’ Forschung von besonderem Wert, da sie einen Schritt weiterführen als die präklinischen Experimente an Tiermodellen. In eineinhalb Jahren möchte die Medizinerin Ergebnisse präsentieren. Sie mahnt aber schon jetzt: «Bis therapeutische Stoffe bei Patientinnen und Patienten einsetzbar sind, ist es noch ein langer Weg.» Die schöne Zukunftsvision wäre aber schon, dass Transplantationen «irgendwann nicht mehr die einzige Möglichkeit sind, den Patienten zu helfen», hofft Brinks.

«Eine Anerkennung für alle»

Inzwischen operiert die Chirurgin weiter an der Seite von Thierry Carrel, setzt Bypässe nach Herzinfarkten, ersetzt Herzklappen, die nicht mehr richtig schliessen – und etwa 10 mal pro Jahr assistiert sie bei Transplantationen oder der Implantation einer kreislaufunterstützenden Pumpe. In den Randstunden, abends spät und in der Freizeit, taucht sie mit Herzblut in die Wissenschaft ein. «Ich freue mich sehr über den DKF-Preis», sagt Henriette Brinks.

«Er ist eine Anerkennung für uns alle.» «Alle» sind die Gruppenleiter und allen voran Thierry Carrel, «ohne deren Unterstützung ich gar keine Forschung betreiben könnte» – und weiter die Kolleginnen und Kollegen, mit denen Brinks das Labor der Herz- und Gefässchirurgie am Laufen hält. Die Auszeichnung sei ein Zeichen, «dass man etwas wissenschaftlich Wertvolles für unsere Patienten tut», so die junge Ärztin.

Zur Person

Henriette Brinks absolvierte ihr Medizinstudium an der Humboldt Universität Berlin, wo sie 2004 auch doktorierte. Von 2005 bis 2007 war sie als Assistenzärztin in der Herz- und Gefässchirurgie am Inselspital Bern, machte dann einen Zwischenstopp in der Abteilung für Kardiovaskuläre Chirurgie an der Charité in Berlin und absolvierte einen zweijährigen Forschungsaufenthalt am «Center for Translational Medicine» an der Thomas Jefferson University in Philadelphia. Seit 2010 arbeite sie wieder unter Prof. Dr. Thierry Carrel am Inselspital Bern.

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