Die Exotin unter den Politologen
Karin Ingold ist nicht nur Politologin, sie interessiert sich auch für die Naturwissenschaften. Darum forscht sie nicht nur am Institut für Politikwissenschaft, sondern auch am Wasserforschungsinstitut Eawag – eine zukunftsträchtige Kombination.
Vor rund einem Jahr hat Karin Ingold ihre Stelle als Assistenz-Professorin für «Policy-Analyse mit Schwerpunkt Umwelt» angetreten, unterstützt von einer Assistentin. Heute zählt ihr Team sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie hat drei laufende Projekte und eines soeben eingereicht, zwei weitere sind für nächstes Jahr geplant. Ihre Arbeit macht der jungen Forscherin sichtlich Spass.
Sie schätzt den abwechslungsreichen Alltag: Ingold arbeitet nicht nur am Institut für Politikwissenschaften, sondern forscht auch am Wasserforschungsinstitut Eawag in Dübendorf (siehe Kasten) und zusammen mit dem Berner Oeschger-Zentrum für Klimaforschung. Ihre – interdisziplinären – Forschungsschwerpunkte sind Wassermanagement und Klima. «Damit bin ich eine Exotin hier am Institut», meint sie lachend. Die meisten Politologen arbeiteten eher mit Juristinnen oder Ökonomen zusammen.
Assistenzprofessorin Karin Ingold forscht nicht nur im Bereich der Politikwissenschaft, sondern bringt ihr Wissen auch am Wasserforschungsinstitut Eawag mit ein. (Bild: Sandra Flückiger)
Welche Bedeutung der Politikwissenschaft in den Naturwissenschaften zukommt, zeigt eine Publikation Ingolds, die diesen Sommer erschienen ist: In Zusammenhang mit Rio+20, der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung, verfasste sie mit Eawag-Direktorin Janet Hering einen Artikel, der in der renommierten Zeitschrift «Science» publiziert wurde. Die Forscherinnen gingen der Frage nach, wo ein integriertes Management von Wasserressourcen Sinn macht.
«Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesem Bereich ist extrem wichtig», betont Ingold. Als Naturwissenschaftlerin habe Janet Hering mit der Problemdefinition begonnen, die unter anderem die Eingrenzung des relevanten geografischen Gebiets umfasste. «Meine Aufgabe war es dann, zu eruieren, wen das Problem betrifft, welche Akteure oder Sektoren zum Beispiel», so Ingold.
Grenzübergreifendes Wassermanagement
Forschungsprojekte der Politologin sind zum Beispiel die Untersuchung von grenzübergreifendem Wassermanagement bei Mikroverunreinigungen oder die Organisation der Abwasserreinigung in Schweizer Gemeinden. Im Bereich Klima analysiert sie den Einfluss, den Überschwemmungen auf den Hochwasserschutz und die -prävention haben. «Diese Projekte sind wichtig für die Sichtbarkeit», ist Ingold überzeugt. «Wir werden als interdisziplinäre Wissenschaftler wahrgenommen und können zeigen, dass das funktioniert.»
Ingolds Interesse für die fächerübergreifende Forschung hat sich früh gezeigt: «Ich habe lange gewerweisst zwischen Politikwissenschaft und Umweltnaturwissenschaften», erzählt die 34-Jährige. Die Entscheidung fiel zugunsten der Politologie, die sie in Genf studierte – mit dem Nebenfach Umweltnaturwissenschaften. Eine akademische Karriere hatte sie ursprünglich nicht im Sinn. Nach dem Studium arbeitete die Solothurnerin für den Bund und eine Umwelt-NGO.
Doppelter Doktortitel
Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt an der Uni Genf weckte jedoch ihr Interesse, sie schrieb eine Dissertation zur Schweizer Klimapolitik. Erhalten hat sie einen doppelten Doktortitel in Politikwissenschaften und Ökonomie. Die Forschung hatte sie gepackt, und Ingold wechselte an die ETH Zürich.
Im August 2011 hat sie die zur Hälfte von der Eawag finanzierte Stelle als Assistenzprofessorin mit Tenure Track in Bern angetreten und arbeitet einen Tag in der Woche in Dübendorf. Dort bildet sie zusammen mit drei Postdocs die Forschungsgruppe «Policy Analysis and Environmental Governance» (PEGO).
Geht es um die Erforschung von grenzübergreifendem Wassermanagement – bei Flüssen wie dem Rhein zum Beipiel –, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gemäss Karin Ingold sinnvoll und wichtig. (Bild: Norbert Aepli)
Der Anstoss für diese Zusammenarbeit kam von Seiten der Eawag, die seit langem bestrebt ist, die Sozialwissenschaften in ihre Wasser-Forschung zu integrieren. «In den meisten Sozialwissenschaften ist das Thema ‹Wasser› aber erst jetzt richtig am Kommen», erklärt die Politologin.
Starker Wille nötig
Für Karin Ingold bedeutet ihre Angliederung an die Eawag zugleich die grösste Herausforderung wie den grössten Vorteil ihrer Arbeit. «In Bern leite ich das Institut mit, lehre und forsche, in Dübendorf kann ich mich ausschliesslich der Forschung widmen», erläutert sie die positiven Aspekte.
Der administrative Aufwand sei jedoch doppelt so hoch, und die interdisziplinäre Arbeit an sich erfordere mehr Koordination. «Nur schon geografisch, dass sich beide Forschungsgruppen kennen und wohl fühlen», sagt Ingold. Sie ist überzeugt: «Man muss den Sinn darin sehen und einen starken Willen haben, sonst macht man dies nicht, denn man kommt viel langsamer voran.»
Ihre Ziele für die nähere Zukunft: «Ich möchte eine Identität über beide Forschungsgruppen hinweg schaffen. Dazu werde ich meinen Mitarbeitenden die interdisziplinäre Forschung näher bringen und vor allem den beiden Institutionen zeigen, dass unser Arbeitsmodell sinnvoll und erfolgversprechend ist», so die Politologin.
Die Eawag
Die Eawag wurde 1936 vom Bundesrat als «Beratungsstelle der ETH für Abwasserreinigung und Trinkwasserversorgung» gegründet. Die «Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz» (Eawag) wurde 1993 zur selbstständigen Institution und ist heute ein international anerkanntes Wasserforschungsinstitut. Die Kombination von Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften erlaubt der Eawag gemäss eigenen Angaben eine umfassende Erforschung des Wassers und der Gewässer, von relativ ungestörten aquatischen Ökosystemen bis hin zu voll technisierten Abwassermanagementsystemen.