Ein Blick hinter unser Sonnensystem
Berner Weltraumforschende ergründen, was ausserhalb unseres Sonnensystems liegt. Sie sind an der NASA-Mission «Interstellar Boundary Explorer» beteiligt, die nun den Nachweis von Sauerstoff, Wasserstoff und Neon im interstellaren Raum liefert.
Was kommt hinter unserem Sonnensystem? Wie sieht der interstellare Raum zwischen den Sonnen aus, ist er leer? Die NASA-Mission mit dem Satelliten «Interstellar Boundary Explorer» (IBEX) liefert jetzt eine ganze Palette an Antworten. Sie basieren auf der Beobachtung von Teilchen, die ihren Ursprung offenbar im Grenzbereich, wo der heisse Sonnenwind und die kalte interstellare Materie aufeinandertreffen, haben: Die Sensoren für hoch- und niederenergetische neutrale Teilchen auf dem IBEX-Satellit konnten Wasserstoff, Sauerstoff, Neon und Helium nachweisen, wie die Forschenden im Astrophysical Journal schreiben. Bislang war nur die direkte Messung von Helium möglich – nun wurden weitere drei Neutralteilchen direkt nachgewiesen.
Die Berner Weltraumforschenden um Peter Wurz sind massgeblich an der einmaligen Nachweistechnologie beteiligt, die es dem IBEX schliesslich erlaubte, von einer Erdumlaufbahn aus die Grenze unseres Sonnensystems in mehr als 10 hoch 10 Kilometer – das ist 100-mal der Abstand zwischen Erde und Sonne – zu erkunden.
Berner Technologie im Weltall
Der Sonnenwind bläst mit einer Geschwindigkeit von rund 1.6 Millionen Stundenkilometern durch unser Sonnensystem und grenzt mit dieser Böe unser Sonnensystem vom Gas-Staub-Gemisch des interstellaren Raumes ab. So entsteht die sogenannte Heliosphäre, in der sich unsere Sonne und die Planeten befinden. «Dieser Kokon ist die äusserste Schutzhülle unseres Planetensystems vor der energiereichen galaktischen kosmischen Strahlung, die für Lebewesen gefährlich ist», erklärt Peter Wurz von der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie der Uni Bern.

Und so kamen die Weltraumforschenden den interstellaren neutralen Teilchen auf die Spur: Die Teilchen konnten entdeckt werden, als sie sich von der Grenze der Heliosphäre ins Innere unseres Sonnensystems bewegt haben und in den Einfluss der Anziehungskraft der Sonne und der Planeten gelangten: «Ihre Flugbahn wurde durch die Gravität der Sonne verändert, und die Sensoren auf den von unserer Abteilung entwickelten Geräten konnten sie dadurch detektieren und vermessen», so Wurz.
Vermisst: Sauerstoff
Die gefundenen Teilchen und ihre Häufigkeit sagen Einiges über die Entwicklung der Sonnensysteme aus: Durch den Untergang von Sternen werden Bestandteile wieder in den interstellaren Raum geschleudert und von Sonnen, die im Entstehen sind, wiederum in ihre Materie eingebaut. Um mehr Verständnis über den Ursprung unseres Sonnensystems zu erhalten, analysierten die Forschenden der IBEX-Mission etwa das Verhältnis von Neon zu Sauerstoff im interstellaren Raum und verglichen dieses mit dem unserer Sonne. Der Vergleich zeigt ein überraschendes Resultat: Unsere Sonne enthält mehr Sauerstoff als das interstellare Medium. Wohin ist der Sauerstoff verschwunden? Möglicherweise hat sich der interstellare Raum seit der Geburt unserer Sonne vor 4.6 Milliarden Jahren verändert. Die Forschenden vermuten jedoch, dass der vermisste Sauerstoff in interstellaren Staub- und Eisklumpen eingeschlossen ist.

Mission in den interstellaren Raum geplant
«Die Heliosphäre ist die Heimat der Erde in dieser Galaxie», schreibt IBEX-Forschungsleiter David McComas vom «Southwest Research Institute». Deshalb sei es wichtig, zu wissen, wie sie uns schützt und wie sie mit interstellaren Teilchen interagiert. Ausserdem brächten die Ergebnisse der IBEX-Mission essentielle Informationen für die Raumfahrt, um mit den richtigen Voraussetzungen eine Raumsonde mit kompletter wissenschaftlicher Ausrüstung in die interstellare Wolke zu schicken. «Eine solche Mission ist derzeit in Planung – die ‹Interstellar Probe›-Mission der NASA könnte das interstellare Medium frühestens 2035 erreichen», so Wurz.